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Die verlorenen Welten von Cronus

Die verlorenen Welten von Cronus

Titel: Die verlorenen Welten von Cronus
Autoren: Colin Kapp
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Kapitel 1
     
    Ende März war die Lage für die Kinder des Spektrums kritisch geworden. Die enorme Überbevölkerung hatte in allen größeren Städten zu einer Massenneurose geführt, und die Zivilisation der Jupiter-Schale schien am Rande des Zusammenbruchs zu stehen. Verbrechen waren an der Tagesordnung, und sowohl Mord- wie Selbstmordrate kletterten auf nie dagewesene Höhen; selbst die unbedeutendsten Vorfälle mündeten in plötzliche Unruhen. Auch Mikh, der Messias des Spektrums, der im Lipiant-Stadium vor einer kleineren Menschenmenge von ungefähr fünfhunderttausend Teilnehmern auftrat, wurde unabsichtlich zum Auslöser einer Auseinandersetzung zwischen Gläubigen und Zweiflern, die in einem Blutbad endete. Seine Botschaft von Frieden und Hoffnung stand in keinem Zusammenhang mit der Angst und Raserei im Stadion. Seine Anhänger reagierten lediglich auf die hysterische Stimmung der Zeit und bekämpften einander mit irrationaler Bitterkeit und Wut.
    Der Aufruhr blieb nicht lange auf das Stadium beschränkt. Er breitete sich wie ein Flächenbrand auf die Straßen und Tunnel der riesigen Metropole aus, ignorierte alle politischen und gesellschaftlichen Schranken und mündete in eine Schlacht, die zehn Tage lang tobte und Tausenden von Menschen das Leben kostete. Die Behörden wußten zwar die beschwichtigende Wirkung der Gemeinschaft der Kinder des Spektrums zu schätzen, aber das Ausmaß der Unruhen zwang sie zum Einschreiten. Man verbot dem Messias des Spektrums, jemals wieder öffentlich zu predigen, und legte seinen Anhängern nahe, sich ruhig zu verhalten, um nicht noch weitere Ausschreitungen heraufzubeschwören. Das bedeutete das Aus für die Kirche des Spektrums, aber Mikh dachte nicht an Widerspruch. Für ihn, den Menschenfreund, kam es nicht in Frage, das Heilige Spektrum zu predigen, wenn als Folge Tote zu beklagen waren.
    »Die Menschheit«, bemerkte er resigniert zu Mea, »ist wahnsinnig geworden.«
    »Ihr dürft Euch nicht die Schuld geben, Messias«, sagte sie. »Die Menschen eignen sich nicht für das Leben auf so engem Raum. Jedermann braucht hin und wieder Zeit für sich alleine und etwas Ruhe. Aber wir leben wie Ratten im Käfig, nur daß es viel zu viele von uns gibt. Wir werden allzu leicht von den Ängsten und Gefühlen unserer Leidensgenossen angesteckt.«
    »Ich fürchte, du hast recht, Mea, mein kleiner Regenbogen. Soweit ich weiß, hat man das Solare Universum für eine Bevölkerungsdichte von viertausend Menschen pro Quadratkilometer entworfen. Doch die Dichte auf der Jupiter-Schale beträgt im Durchschnitt mindestens das Doppelte, und in den großen Städten liegt sie noch viel höher. Aber was ist die Lösung? Seit das Auswanderungs-Programm ins Stocken geraten ist, konkurrieren viel zu viele Menschen um viel zu wenig Raum. Die Menschheit erstickt langsam an sich selbst.«
    »Was wollt Ihr jetzt unternehmen, Messias?«
    »Da ich hier nicht mehr predigen kann, werde ich tun, was ich seit langer Zeit gelobt habe: Ich werde zu meiner letzten Pilgerfahrt aufbrechen und nach dem Himmel suchen.«
    »In den Weltraum?« Meas Züge spiegelten ihre Verwirrung wider.
    »Warum nicht? Unser Gönner, Cadren Shilden, hat mir ein Exosphärenschiff angeboten, und seine Tochter besteht darauf, meine Pilotin zu sein.«
    »Aber niemand weiß, was uns dort draußen erwartet!«
    »Man sagt, daß unsere Schale von einer noch größeren Schale umgeben ist, die man Saturn-Schale nennt. Wenn es den Himmel überhaupt gibt, muß er dort sein. Shilden glaubt, daß sein Schiff für die Reise nicht mehr als ein Jahr benötigt.«
    »Aber Exosphärenschiffe sind nicht für den Flug durch das All konstruiert. Und sie können auch nicht genügend Treibstoff für ein Jahr mit sich führen.«
    »Sie fliegen immerhin so hoch über der Schale, daß die Atmosphäre einem Quasi-Vakuum gleicht, und der Weltraum unterscheidet sich nur wenig davon. Was den Treibstoff angeht, davon brauchen wir nicht soviel. Sobald das Schiff ausreichende Geschwindigkeit erreicht, um der Schwerkraft der Jupiter-Schale zu entkommen, können wir die Triebwerke abschalten. Das Schiff hält dann seine Geschwindigkeit ohne Antrieb. Wir müssen lediglich etwas Treibstoff für die Landung aufsparen.«
    »Aber bedenkt das Risiko!«
    Mikhs ruhiges und reifes Gesicht verzog sich zu einem sanften, verstehenden Lächeln.
    »Ein weit geringeres Risiko, als ich einginge, wenn ich heute auf dem Großen Platz Lipiants versuchte, die Botschaft des
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