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Das Drachenboot

Das Drachenboot

Titel: Das Drachenboot
Autoren: Kari Köster-Lösche
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Bootsbauer.«
    »Dazu muß man nicht Bootsbauer sein. Die anderen wissen es auch. Auch Alf.«
    Der Schiffsführer blieb stumm. Mit Alf war er fertig.
    »Es hat schon seinen Grund, daß du den >Grauen Wolf< beinahe auf Grund gesetzt hättest«, fuhr Folke schonungslos fort. »Dein Schiffsverstand ist nicht sehr groß.« Folke sah keinen Anlaß, dem Schiffsführer zu verschweigen, daß er seine Mannschaft gefährdete. Wenn er keine Einsicht zeigte, würde er es im nächsten Sommer wieder tun. Der Bootsbauer machte die Schultern steif und erwartete eine harte Antwort.
    Aber Hjalti blickte nur finster drein. »Du hast eine Art, einem die Wahrheit zu sagen, daß man sich überlegen muß, mit welcher Waffe man antworten soll: mit dem Dolch oder mit der Zunge.«
    Folke lachte ihn verschmitzt und auch, ein wenig erleichtert an. Wer vom Dolch spricht, wird bestimmt nicht danach greifen. Hjalti bemerkte es nicht. Er brach einen gefährlich spitzen Splitter aus dem Holzschaft und ruderte dann mit verminderter Kraft weiter.
    »Und weil du stets den Nagel auf den Kopf triffst, glaube ich dir«, fuhr er fort. »Obwohl ich es verständlicher fände, wenn dieser Sven zurückgefahren wäre zu seiner Sippe: er hört alles mit seinen Luchsohren; kennt zufällig das Dorf der Slawen, kennt den Kaufmann aus Haithabu, erfährt von dem Abschluß. Er kehrt um nach Hause, und sie schlagen zu und nehmen uns die Sklaven weg.«
    »Das hört sich alles sehr folgerichtig an«, gab Folke zu und starrte über Hjaltis Schulter auf den Strand, »es hat nur einen Fehler.«
    »Nämlich?«
    »Daß es nicht stimmt. Sieh dich um!« Hjalti drehte sich um und blickte in die Richtung, in die Folke zeigte. Am Ufer stand Sven und schien auf sie zu warten. Und weiter hinten standen die Bauern und warteten ebenfalls.
    Aber was für ein jämmerliches Abbild des früheren Sven stand auf dem Strand und winkte sie an einen stein- und tangfreien Landeplatz! Er hatte kein Wams an, sondern nur eine dünne Tunika, und durch diese spießten und stachen seine Knochen überall hindurch. Der Mann war nur noch Haut und Knochen, und so weit konnte er in den wenigen Tagen aus eigenem Zutun eigentlich gar nicht heruntergekommen sein. In seiner Hand baumelte eine roh zurechtgehauene Holzkeule.
    »Hjalti«, fragte er mit weinerlicher Stimme, »bist du es?«
    »Ja«, sagte Hjalti widerwillig, während er ins Wasser stieg und das Boot am Bug zum Strand führte, »und ich bin der ganze Hjalti, während du mir nicht einmal mehr der halbe Sven zu sein scheinst. Wo hast du deine andere Hälfte?«
    Sven bewegte unverständlich die Lippen und drehte sich dann zum Dorf, hinter dem die Bäume im goldgelben Licht des Spätnachmittags aufleuchteten. »Irgendwo im Wald«, antwortete er traurig. »Ich weiß nicht, wo. Bei den wilden Tieren.«
    »Du bist doch nicht etwa selber wild geworden, Sven?« fragte Hjalti argwöhnisch und zog das Boot mit Folkes Hilfe an Land.
    »Ein wenig wohl, Hjalti.«
    Als der Kiel auf dem Sand knirschte, nahm Hjalti die Leine vom Bug, warf sie auf den Strand und wälzte anschließend einen Stein darauf. »Sie sagen, du wärst zum Werwolf geworden.«
    »Das kann möglich sein.«
    Folke blieb wie erstarrt stehen und sah Sven an. Er war noch nie einem Werwolf begegnet, und nie hätte er gedacht, daß ein Werwolf so zahm sein könnte. Sven lächelte freundlich mit grauen Lippen, und auch in seinen Augenbrauen und Haaren hing graubrauner Staub. Aber als er den Kopf zu Folke wandte, sah dieser deutlich die angespitzten Zähne, und das Lächeln war nicht mehr freundlich, sondern boshaft, und ganz allmählich verwandelte es sich in das Zähnefletschen eines wilden Tieres.
    Folke schielte zu Hjalti hinüber. Dem perlte der Schweiß über das Gesicht, obwohl die Luft herbstlich kühl war, und er roch nach Angst. Sven ließ er nicht aus den Augen und tat auch keinen Schritt auf den Strand hinauf. Die Bauern waren unaufhörlich näher herangerückt, Stecken und Spieße waagerecht vor sich, so daß sie auf Svens Rücken zeigten und ihn durchbohren mußten, wenn er nach Wolfes Art plötzlich aufsprang.
    Hjalti zog laut die Luft ein. »Du bist verändert, Sven.«
    »Ich war bei den Maren und Trollen. Auch nachts.«
    Hjalti nickte und versuchte Abscheu und Angst vor einem zu überwinden, der sich selbst als Mar herumtrieb. Er zog sich seitwärts auf den Schotterkamm hinauf, so daß er nun auf gleicher Höhe mit Sven stand. Dort fühlte er sich endlich ein wenig sicherer. Er
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