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Das Drachenboot

Das Drachenboot

Titel: Das Drachenboot
Autoren: Kari Köster-Lösche
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immerhin nicht tot«, bemerkte Hild spitz.
    »Ich weiß nicht«, antwortete Aasa ihrem Sohn mit einem Seufzer, »in diesem Fall weiß ich es einfach nicht. Sein Schädel scheint an der Seite zertrümmert. Viel Leben ist nicht mehr in ihm.«
    Hild ließ sich in ihrem Haus nicht übergehen, obwohl Aasa bestimmt nicht verletzend sein wollte. Ihr Rücken wurde steif vor Zorn, aber im Halbdunkel des Raums sah es nur Folke, der immer noch hinter ihr stand. »Ich verstehe gar nicht, daß du dir solche Mühe gibst, Aasa. Wenn er im Kampf verwundet wurde, wie man mir sagte, und du ihn in Ruhe läßt, wird er morgen schon an Odins Tafel sitzen und nicht in einem nassen, kalten Schiff.
    Danken wird er's dir nicht, daß du ihm diesen Lohn verweigerst, und zu Recht!«
    Auf Aasas langen Rock flog ein Funken. Sie schlug ihn schnell aus, während sie nachdachte. Sie war nicht beleidigt. Hild war manchmal schneller mit den Worten als mit ihrem Verstand. Und dennoch - oft schon hatte auch sie sich Gedanken darüber gemacht, warum sie Schwerverwundete zu retten versuchte. Die Toten hatten es bestimmt nicht schlechter als die Lebenden. »Ich glaube, ich muß es einfach tun, weil mir das Heil gegeben ist«, antwortete sie leise.
    Nun wurde Hild erst recht ärgerlich. Das Heil! Immer wieder wies Aasa sie darauf hin, aus welcher guten Familie sie kam und wieviel Heil sie mitbrachte, und jedesmal erhob sie sich damit weit über Hild, deren Vater ein einfacher Bauer war. »Ich hätte mir denken können, daß es hauptsächlich um deinetwillen geschieht«, sagte sie laut, so daß Thorbjörn am anderen Ende des Raums sie mit Sicherheit gut verstehen konnte. »Um Ruhm auf dich selber zu häufen.«
    Thorbjörn zog sein Wams vom Haken und verzog sich nach draußen. Einem beginnenden Streit der Frauen wollte er lieber aus dem Wege gehen, zumal er doch nicht verhindern konnte, daß Hild sich später bei ihm beklagte.
    Folke sah seine Mutter erschrocken an. Aber diese war der Mißgunst ihrer Schwägerin, die von Zeit zu Zeit aufflackerte, durchaus gewachsen. »Man wird über die Frauen unserer Sippe nur Gutes sagen, Hild«, mahnte sie leise, »auch von dir.«
    Aber Hild hatte ein hartes Gemüt und war nicht so leicht zu versöhnen.
    Aasa machte sich schon für die Nacht zurecht, als Thorbjörn endlich wiederkehrte. Er brachte einen Schwall kühler Luft ins Haus hinein, und die Tür schlug mit einem Knall gegen die Wand.
    »Es frischt auf«, bemerkte Thorbjörn unnötigerweise, und er sagte es nur, um seine Freude nicht allzu deutlich zu zeigen. »Dann wird Folke morgen guten Segelwind haben.«
    »Wirklich?« fragte Folke überrascht.
    »Du bist an Bord des >Grauen Wolf< willkommen«, bestätigte Thorbjörn froh. So sicher war er gar nicht gewesen, daß Hjalti zustimmen würde, aber nun war alles zu seiner Zufriedenheit geregelt. »Übrigens wird noch ein weiterer Ersatzmann mitfahren. Sie konnten noch einen gebrauchen. Ein Mann starb unterwegs.«
    »Wer ist das?« fragte Folke neugierig. Wenn er hier aus Haithabu war, kannte er ihn.
    Aber das wußte Thorbjörn nicht. Und da es mehr dazu nicht zu sagen gab, versorgte Hild das Herdfeuer, und sie gingen zu Bett. Folke, der am nächsten Morgen in aller Frühe statt zur Werft auf ein Kriegsschiff steigen würde, kroch gedankenvoll unter seine Felle.
    Am nächsten Morgen wehte ein frischer Wind. Er hatte gedreht und kam jetzt genau aus der richtigen Richtung, um den »Grauen Wolf« in rauschender Fahrt auf das Meer hinauszuwehen. Folke spürte es schon, als er noch auf seinem Lager lag und Windstärke und Richtung am Knarren des Hausgebälks abschätzte und an der Heftigkeit, mit der die Windstöße das Herdfeuer mitten im Haus aufflackern ließen. Dann sprang er auf. Es war höchste Zeit.
    Draußen war bereits heller Tag. In aller Eile verstaute er Gamaschen und Winterwams in einem Beutel, dazu ein paar Werkzeuge, die er auf den Rat von Thorbjörn aus der Werkstatt mitgenommen hatte, nahm sich kaum Zeit, sich von seiner Mutter und Hild zu verabschieden und am Brunnen ein wenig Wasser auf die Sommersprossen zu spritzen, dann rannte er hinaus auf den Hof und die Straße zum Hafen hinunter. In ein paar Tagen würde er wieder hier sein, da brauchte niemand große Abschiedsworte zu machen. Mit viel Glück würden sie Skiringssal in fünf Tagen erreichen, und bestimmt fuhr bald ein Schiff nach Süden - alles in allem würde er wohl nicht länger als einen halben Monat fort sein.
    Der »Graue Wolf« lag noch an
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