Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Drachenboot

Das Drachenboot

Titel: Das Drachenboot
Autoren: Kari Köster-Lösche
Vom Netzwerk:
Kaufmann Högnis Steg, jedoch war er bereits gedreht worden und richtete seinen Bug schon sprungbereit zur Hafenöffnung.
    Folke grüßte und wurde an Bord gebeten. Dann richtete er Aasas Botschaft aus. Sie hatte gesagt: »Der Mann wird die Verwundung überleben. Sein Geist ist wieder zurückgekehrt, und er spricht schon einige Worte. Aber er kann nichts sehen.«
    Die Männer, die bei Folkes ersten Worten munter auf die Schilde geklopft hatten, verstummten entsetzt. Blind: das war schlimmer als tot.
    Hjalti nickte. »Ich danke dir für deine Mühe. Wenn es so ist, wollen wir hoffen, daß die Todesgöttin Hel ein Einsehen hat und ihn nicht von sich weist.« Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder den Männern zu, die eben mit den gefüllten Wasserfässern zurückkehrten.
    Als Hjalti nichts mehr sagte, zuckte Folke die Schultern und sah sich auf dem Schiff um.
    Es war nicht sehr lang, auf ungefähr siebzig Fuß schätzte Folke es, und dabei nur siebzehn oder achtzehn Fuß breit. Völlig schmucklos war das Schiff, aber es war fest gebaut, sauber beplankt und ordentlich kalfatert, soweit er sehen konnte. Plötzlich freute er sich unbändig auf die Fahrt. Die Männer saßen zum Teil bereits auf ihren Ruderbänken.
    Aber sie schwatzten miteinander, und noch waren die Ruderpforten verschlossen. Es sah nicht so aus, als ob der »Graue Wolf« gleich ablegen würde. Folke suchte sich eine freie Bank und setzte sich ebenfalls. Zwischen zwei roten Kriegs-Schilden konnte er hindurchspähen, ohne daß man ihn selber sah.
    Auf dem Steg am Ufer standen bereits wieder die Haithabuer und beobachteten, was vor sich ging. So geschäftig die Stadt im allgemeinen auch war, wenn Wagen mit Waren von Hollingstedt ankamen oder ein Schiff - da war sofort die halbe Stadt auf den Beinen, um beim Ausladen zuzusehen. Folke grinste. Wo wäre er wohl, wenn er nicht hier säße? Wahrscheinlich hätte ihn zufällig ein dringendes Anliegen aus der Werft in den Hafen geführt.
    Einige Leute auf der Straße, die von der Nord-SüdAchse der Stadt zum Hafen abzweigte, fesselten seine Aufmerksamkeit. Sie schritten feierlich die Straße herab, als ob sie einen Toten in sein Grab geleiteten. Die Männer hatten die Köpfe stolz erhoben, als stammten sie aus der vornehmsten Sippe von Haithabu, aber als sie näher kamen, kannte Folke sie überhaupt nicht.
    Nur einer der Männer war anders. So sieht einer aus, der außer dem Leben alles verloren hat, dachte Folke. Zu seinem Erstaunen bogen die vier Männer um die Ecke und hielten geradewegs auf den »Grauen Wolf« zu. Da fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: das war natürlich der andere, der ebenfalls einen Ruderer ersetzen sollte. So war es. Wortlos lieferten die drei älteren Männer den vierten bei Hjalti ab; dieser nickte, und daran merkte Folke, daß alles verabredet war. Breitbeinig, die Daumen in den Gürtel gehakt, sahen sie unbewegt zu, wie ihr Mann über die Bordwand kletterte, wo man für ihn einen Schild weggenommen hatte, denn er sah nicht wie ein guter Springer aus.
    Gleichgültig blickte sich der Neuankömmling um, und Folke bemerkte, daß er dem Ältesten wie aus dem Gesicht geschnitten schien. Er hatte einen schmalen Kopf, eine wulstige Narbe quer über der Wange bewies, daß er seine eigenen Kämpfe ausgetragen hatte. Die farblosen Augenbrauen und die rötlichen Wimpern über den hellgrauen Augen ließen ihn Hilds Hausschwein ähnlich sehen. Die vorstehenden Lippen aber waren viel zu weich für den Eber in ihm. Der Mann stand mit hängenden Schultern auf dem Platz, an dem er unbeholfen ins Schiff gekrochen war. Daß ihm sein weißer bäuerlicher Schild nachgereicht wurde und die Ruderer bei dessen Anblick spöttisch auflachten, merkte er gar nicht. Der Holzschild blieb unbeachtet an der Bordwand stehen. Eine Weile wußte der Mann nichts mit sich anzufangen. Endlich sah er fragend zu Hjalti auf. Hjalti verzog das Gesicht und wies herrisch auf eine Ruderbank, die weit vorne im Schiff lag. Der Mann machte sich auf den Weg, umrundete die Bänke und ausgestreckten Beine und kletterte über die Ruder, die noch nicht ausgefahren waren. Folke sah ihm nach.
    »Das gilt auch für dich«, schnauzte Hjalti, und als Folke verdutzt zu ihm hinblickte, merkte er, daß er selber gemeint war.
    Hastig sprang er auf und folgte dem Neuen, so schnell es ging. Er war gar nicht froh festzustellen, daß er mit ihm zusammen rudern sollte. Vorgestellt hatte er sich als Banknachbarn einen weit gefahrenen Krieger, der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher