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Das Drachenboot

Das Drachenboot

Titel: Das Drachenboot
Autoren: Kari Köster-Lösche
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gellend.
    Die meisten Männer waren aufgesprungen, sie vibrierten plötzlich vor Nervosität. Folke wollte in seiner Verwirrung schon zu den Waffen greifen.
    »Man sieht aber auch gar nichts!« fauchte Hrolf zornig und versperrte Folke die Sicht auf die Feinde, weil er wie ein Hase von der einen Seite auf die andere sprang. Da merkte Folke erst, was los war. »Du meinst, euer Hjalti kennt die Durchfahrt nicht?« fragte er leise über Hrolfs Schulter hinweg.
    Jäh drehte Hrolf sich um. »Siehst du denn nicht, daß Hjalti da durch will wie ein Wagenlenker, dem die Ochsen durchgehen?«
    Und da konnte er wohl recht haben, denn sie rauschten auf die Sperrbalken zu, und wenn sie auf sie aufliefen, würde der »Graue Wolf« in die Luft geschleudert werden und als Kleinholz wieder herunterkommen. Aber es war zu spät, das Segel wegzunehmen.
    »Njörd lasse ihn das Loch rechtzeitig finden!« murmelte Hrolf, und seine Fingerknöchel wurden weiß vor Anstrengung, das Boot in eine Richtung zu lenken, die er selber für besser hielt.
    Folke sprang auf die Ruderbank, spähte nach der Lücke, die auch für Kenner des Fahrwassers nie leicht auszumachen war, und brüllte durch den Fahrtwind nach hinten: »Hart nach Steuerbord!«
    Der »Graue Wolf« hielt noch einen Moment seinen Kurs bei, als traute der Steuermann dem jungen Gast nicht, aber dann schwenkte er nach rechts, bis sie direkt in die Hütten hineinzusegeln schienen. Der Wind kam nun ein wenig von der Seite, und ihre Geschwindigkeit nahm zu. Die Ruderer stöhnten auf wie ein Mann. Folke fühlte es mehr, als er es hörte, und ihm lief plötzlich der Angstschweiß hinter den Ohren ins Wams hinunter. Was, wenn er sich irrte? Aber er wußte, was er wußte.
    Eine Schiffslänge segelten sie in diese Richtung, dann gab Folke einen neuen Befehl: »Jetzt nach Backbord. Halt mit der Drachennase auf den großen Stein zu.«
    Folgsam drehte der Drache sein rotes Maul zur Halbinsel, und auf diesem Kurs blieben sie so lange, wie ein geübter Skalde braucht, um einen Vierzeiler zu singen.
    »Steuerbord voraus hast du jetzt zwei Pfähle mit Reisigbesen«, rief Folke, »zwischen ihnen halte durch!«
    Die Männer setzten sich einer nach dem anderen und taten uninteressiert. Jetzt, wo es gutgegangen war, wäre jede Bemerkung überflüssig gewesen.
    Am Ufer machten die Jungen, ein Viertel Bootslänge von ihnen entfernt und nur bis zu den Knien im Wasser, freche Bemerkungen. Ein Fischer, der gerade sein Netz zwischen zwei Pfählen zum Trocknen aufhängte, starrte mit offenem Mund den Schiffsführer an und schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. Hrolf wechselte mit Frodi einen Blick und spuckte als Antwort ins Wasser; seine Knöchel nahmen wieder ihre gewöhnliche Farbe an.
    Die Jungen haben recht, dachte Folke, das hätte schiefgehen können. Mit achterlichem Wind ungerefft durch eine unbekannte Enge! Aber wagemutig war Hjalti, das hatte er ja schon bei seiner Ankunft in Haithabu bewiesen. Als sie die letzten Pfähle endlich achteraus gelassen hatten, sah Folke, daß Hjalti ihm winkte. Ein wenig unsicher turnte er nach hinten. Keiner der Männer hatte Hjalti beraten. Vielleicht hätte auch er nicht eingreifen dürfen. Die Männer, die an der größten Breite des Schiffes saßen, hatten es etwas bequemer als die im Vorschiff. Hier war der Platz nicht ganz und gar verstellt mit Ruderbänken und Beinen. Am Mast entdeckte Folke zu seiner Überraschung, daß das Schiff einen Gast hatte, der nicht zu rudern brauchte. Ein Mann mit strähnigen Haaren, schwarz wie ein Kolkrabengefieder, eingewickelt in einen schwarzen Wollumhang, kauerte auf den Decksplanken und starrte in die Ferne. Er rückte keinen Fußbreit zur Seite, um Folke durchzulassen. Er konnte es nicht. Er war an Händen und Füßen gefesselt und darüber hinaus stramm am Mastfuß angebunden: der »Graue Wolf« hatte einen Sklaven an Bord. Hjalti stand am Heck, die rechte Hand sorglos an der Ruderpinne, und steuerte. Die Ufer der Großen Breite ließ er keinen Moment aus den Augen. »Da bist du ja«, sagte er weder freundlich noch unfreundlich. Der Schiffsführer hatte offensichtlich nicht vor, sich bei Folke zu bedanken, weil der ihm das Schiff gerettet hatte. »Du weißt hier Bescheid«, stellte er lediglich fest.
    Folke nickte und versuchte so auszusehen, als sei es alltäglich für ihn, Schiffe von Königen zu retten. Allerdings war ihm nicht klar, ob Hjalti das überhaupt bemerkt hatte.
    »Du solltest bei mir bleiben.«
    Folke
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