Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Drachenboot

Das Drachenboot

Titel: Das Drachenboot
Autoren: Kari Köster-Lösche
Vom Netzwerk:
gleich wieder rudern!« Er spuckte die Worte fast aus und betrachtete sein Ruder so widerwillig, daß Folke sofort klar wurde: Sven war nicht freiwillig an Bord. Freude hatte er beim Rudern nicht. »Kennst du diesen Fjord denn nicht, obwohl du in der Gegend lebst?« fragte Hrolf spöttisch, und Folke gab ihm im stillen recht.
    Sven hätte wissen müssen, daß es bei dieser Windrichtung nichts mehr zu rudern geben würde, und bei einigem Glück nicht einmal auf See. Denn die Nordostrichtung würden sie vor dem Wind einhalten, bis sie kurz vor dem Steilufer von Erri standen, und auch dann würden sie mit halbem Wind an der Insel bis zu ihrem Nordende entlangsegeln bis Visby, ihrem Tagesziel. Aber nicht jeder war für die See geboren. Über ein paar andere Dinge aber wußte Sven Bescheid. Ohne, daß er sich viel umtat, fragte er plötzlich fast vorwurfsvoll: »Wie kommt es, daß ein norwegisches Schiff mit fremdländischen Hölzern geflickt ist?«
    Folke wußte überhaupt nicht, was er meinte, aber Hrolf hatte verstanden: »Flickwerk würde ich dazu nicht sagen. Die Ruderbank ist uns teuer zu stehen gekommen. Sie ist unter einem sächsischen Felsen zusammengebrochen.«
    »Und der Mann darauf?«
    »Den haben wir zusammen mit seinem Felsen im Sachsenland begraben.«
    Folke überlief es kalt bei dem Gedanken, daß er auf der Bank eines Toten saß. »Und gleichzeitig wurde der Mann verletzt, den ihr bei meiner Mutter zurückgelassen habt«, stellte er fest, um sein Unbehagen abzuschütteln. Zu seiner Überraschung verneinte Hrolf. »Das war schon vor zwei Sommern.«
    »Mir wäre auch lieber«, sagte Frodi über Folkes Kopf hinweg zu Hrolf, »Aslak hätte die Losstäbe geworfen. Das Glück war in letzter Zeit nicht gerade mit uns.«
    Der Wachführer nickte behäbig, sagte jedoch nichts. Und Folke dachte erschrocken, daß dann ja bereits zwei Leute auf dieser Bank zu Tode gekommen waren, und obendrein hatte es einen Schwerverletzten gegeben. Das war keine gute Bank zum Rudern. Und dann wunderte er sich, daß Sven das Buchenholz sofort erkannt hatte. »Du bist doch nicht Bootsbauer?« vergewisserte er sich mißtrauisch, und Sven schüttelte den Kopf. »Bogenmacher.«
    Da Folke der Unterhaltung mit einem so maulfaulen Kerl nichts abgewinnen konnte, schwang er die Beine auf die andere Seite der Bank und sah nach hinten. Nur wenige Männer hatten jetzt besondere Aufgaben zu erledigen. Alle anderen machten es sich bequem.
    »Wir sind die Bergwache«, schnarrte Hrolf neben seinem Ohr. »Du wirst mich nachher ablösen. Die Steuerbordmänner unter dem Segel haben die Festmacherwache, die Achterschiffmänner an Backbord das Ösen im Hafen und die Backbordmänner unter dem Verklicker die Ruderwache. Wir wechseln uns ab, wie die Sonne läuft.«
    »Bergwache?« Folke war verblüfft.
    Hrolf verzog sparsam das Gesicht. »Ausguck. Sundwache. Ihr nennt es Sundwache. Bei uns gibt es keine Sunde, nur Berge.«
    »Ach so«, sagte Folke beruhigt. Also nichts, was ihm nicht schon bekannt war. Die Wachen waren bei den Norwegern wie bei allen anderen Schiffen eingeteilt. »Gutes Segelwetter!« sagte er zufrieden zu Hrolf und konnte über dessen Schulter hinweg erkennen, daß sie sich bereits der Enge von Stexvig näherten.
    Hrolf, der selten überschwenglich war, nickte. Dann stellte er sich an die Bordwand. Es wurde Zeit für ihn. Zwar war die Schlei fast überall tief und gut zu befahren, aber an manchen Stellen brauchte der Steuermann Hilfe, so wie hier. Das Ufer kam von beiden Seiten rasch näher. Mitten im Fahrwasser schienen überall Pfähle zu stehen, und zwischen ihnen trieben schemenhaft die zusammengeketteten Baumstämme, mit denen das Fahrwasser rasch gesperrt werden konnte. Ein Durchlaß für ausfahrende Boote blieb jedoch immer offen.
    Der »Graue Wolf« schwankte ein wenig. Sven hielt sich schnell an der Bordwand fest. Folke lächelte, und sein Blick begegnete dem ein wenig spöttischen von Hrolf, der es auch bemerkt hatte.
    Die Reihe der kräftigen Pfähle erstreckte sich von der Halbinsel auf der Nordseite der Schlei bis zu den Häusern des Weilers Stexvig auf der Südseite, ohne eine ersichtliche Lücke freizugeben. Die armseligen Hütten aus Grassoden waren nur wenige Schiffslängen von ihnen entfernt; zwischen den Büschen schimmerte ein Reetdach durch, und der Rauch eines Kochfeuers verwirbelte über einem anderen Häuschen. An einer kleinen Landestelle hüpften ein paar Jungen herum, warfen die Hände in die Höhe und schrien
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher