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Das Drachenboot

Das Drachenboot

Titel: Das Drachenboot
Autoren: Kari Köster-Lösche
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Nasenlöcher des Schiffsführers blähten sich zornig, aber wenn Wikinger keine Zweikämpfe mit veralteten Waffen austrugen, so auch nicht mit den Frauen ihrer Gastgeber. »Geirmund würde es mir nicht lohnen, wenn ich von einer friedlichen Fahrt mit wesentlich weniger Männern zurückkehre, als ich ausgefahren bin«, sagte er mit heiserer Stimme, ohne die Frage zu beantworten.
    »Deshalb hoffe ich, daß du mir meinen Mann geheilt zurückschickst.«
    Aasa nahm es als Zustimmung, den Mann mit sich zu nehmen, während Folke sich fragte, ob Hjalti vielleicht noch mehr Männer abhanden gekommen waren. Aber für Überlegungen blieb keine Zeit, Aasa winkte ihn zu sich. »Er muß lang ausgestreckt getragen werden«, sagte sie. »Keinesfalls darf sein Kopf mehr als notwendig bewegt werden.«
    Folke nickte. Er hatte seiner Mutter schon öfter geholfen und wußte, worauf es ihr ankam. Ohne seine Anordnungen würde sich wahrscheinlich einer der Männer den Verletzten über die Schulter werfen und wie einen Sack Mehl in Thorbjörns Haus abladen.
    Während Aasa bereits nach Hause eilte, um ihre Vorkehrungen zu treffen, wandte Folke sich an Hjalti, der wie angenagelt an der Bordwand stand.
    »Erlaubst du mir, an Bord zu kommen?« fragte er höflich, wartete jedoch die Antwort gar nicht ab, sondern stemmte sich an der niedrigsten Stelle der klinkergebauten Bordwand hoch.
    Einige Männer standen flüsternd bei dem Verletzten. Folke verstand sofort, was seine Mutter gemeint hatte. Der Schädelknochen des Mannes war an der linken Schläfe von einem rundlichen Gegenstand eingedrückt worden. Die Haut war blauschwarz verfärbt und Strähnen des gelben Haares in Blut getaucht. Obwohl Folke nah zu ihm trat, konnte er doch keinen Atem mehr in dem Mann hören, aber das wußte natürlich seine Mutter besser. Er lebte noch, aber es war wohl eher Mitleid als Hoffnung auf Heilung, was sie bewog, ihn zu behandeln.
    Folke ging zur Reling zurück und beugte sich über die Schilde. »Du mußt mir eine Pforte oder ein breites Brett besorgen«, bat er den Wachhauptmann Benno.
    Dieser befahl zwei Soldaten zu sich und holte in kurzer Zeit aus einem Packhaus am Ufer eine Tür. Auf dieses Brett hoben die Norweger sanft den Rudersmann, der immer noch kein Lebenszeichen von sich gab. Folke band ihn mit Tauen fest, damit er beim Heben über die Bordwand nicht herunterrutschte, und dann trugen ihn zwei seiner Kameraden zum Hof von Thorbjörn. Als sie den Mann auf das Fellbett hinüberhoben, hatte Aasa schon warmes Wasser in einer Schüssel bereit, und Lappen und Salbentopf standen auf einem Hocker. Sie sah angesichts der großen Aufgabe, die sie auf sich genommen hatte, so ernst und weise aus, daß die Männer auf Zehenspitzen aus dem Haus schlichen, sogar Folke, der doch hier zu Hause war. »Ist deine Mutter aus königlichem Geschlecht?« fragte der jüngere von beiden. Er hatte noch einen sehr dürftigen Bartwuchs. Wahrscheinlich war es seine erste Fahrt. »Oder eine Zauberin?« setzte der andere nach, der Frodi hieß, und blickte etwas mißtrauisch durch die Tür zurück ins Haus, in das gerade noch mehr Wasser geschleppt wurde. »Will sie ihn ertränken?«
    Folke ertappte sich dabei, daß er überlegen lächelte. Er war sicherlich nicht viel älter als der junge Ruderer und weiser schon gar nicht. Aber sie kamen ihm beide etwas hinterwäldlerisch vor. »Meine Mutter Aasa hat großes Heil in ihren Händen«, belehrte er sie. »Die Heilkunde ist ihr von ihrer Muttersmutter verliehen worden. Und diese galt im ganzen Sveareich als die größte Heilerin.«
    »Oh«, sagte der junge Norweger ehrfürchtig. Vor allem der Hinweis auf das schwedische Königreich flößte ihm große Hochachtung ein.
    Der Ältere aber traute den Leuten hier im Süden nicht. Nur seinem Schiffsführer Hjalti Olafssohn, der wie er aus den Wäldern des Nordens stammte, und König Geirmund. Störrisch blieb er auf dem Hof stehen.
    Folke wartete auf ihn. Er schnaubte verächtlich. Zauberin! Er wußte nicht, was sie in Norwegen mit Zauberin meinten. Hier in Haithabu gehörten Zauberinnen nicht zu den ehrenwerten Frauen, und für die Christen in der Stadt waren sie sogar vom Teufel besessen.
    »Bei uns hat Geirmund auf Geirstad das höchste Heil«, beharrte Frodi, denn er wollte nicht, daß der Däne glaubte, er diene einem Mann, der etwa kein Heil hätte. »Er ist ein großer Heiling.«
    »Für unsere Kranken findest du keinen größeren als Frau Aasa.«
    Als die beiden Norweger merkten,
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