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Wer Schuld War

Titel: Wer Schuld War
Autoren: Christa Bernuth
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    Der Hass. Der kommt, wenn die Liebe sich verzogen hat, aber kein Ersatz da ist. Da ist dann ein Loch, und das füllt der Hass.
    »Du hast keine Lust, gib’s doch zu!«
    Ach, Scheiße, dann lassen wir’s eben. Aber das sagt sie nicht. Genau das sagt sie nicht. Sondern: »Natürlich hab ich Lust.
     Das ist nicht der Punkt.«
    Und natürlich antwortet er darauf: »Sag es einfach.«
    »Was denn?«
    » Ich habe keine Lust

    »Wieso denn? Nein!«
    »I-c-h h-a-b-e   …«
    »Hör jetzt auf! Hör auf!«
    Hinten im Wagen liegt die Tasche mit dem Theresa-Logo, und darin befinden sich die neuen Schuhe von Costume National, die
     darauf warten, anprobiert zu werden. Außerdem ist es wahnsinnig heiß, zumindest zu heiß, um zu skaten, was jeder normale Mensch
     einsehen und nur er als Ausrede werten würde, weil er findet, dass sie ein faules Stück ist und sich von dieser Meinung so
     schnell nicht mehr abbringen lassen wird.
    Und wenn schon, na, und? Ja, sie hat keine Lust, sie ist heute einfach mal ein faules Stück, und was, bitte, ist dagegen einzuwenden?
    »Wenn ich sage, dass ich keine Lust habe, bist du beleidigt, oder? Gib’s zu!«
    »Ach, lass mich in Ruhe.«
    Sie legt den Kopf in den Nacken, äfft seine maulende Stimme nach, wird dabei viel zu laut, weil etwas in ihr die Oberhand
     gewinnt, etwas Fremdes, Feindseliges, das sie unbedingt unterdrücken wollte und das ihr jetzt trotzdem feist grinsend im Nacken
     sitzt. »Und? Sollen wir den ganzen Tag zu Hause sitzen? Ist es das, was du dir unter Freizeitgestaltung vorstellst?«
    »Na schön. Mir reicht’s.« Jetzt tritt er den Beweis an, dass in Wirklichkeit sie diejenige ist, die ausflippt, während er
     ganz kalt, ruhig, trocken und unangreifbar wird. »Fahren wir nach Hause.«
    Aber das ist es ja auch nicht, was sie will, und schon bereut sie es, dass sie es schon wieder so weit hat kommen lassen,
     anstatt einfach zu tun, was er vorschlägt. Eine Stunde lang, dann hätte sie ja wieder ihre Ruhe, könnte ihre Schuhe anprobieren,
     es sich anschließend mit einem Buch auf dem Sofa gemütlich machen, ihn und seine anstrengenden Wünsche und Forderungen einfach
     ausblenden.
    »Wir fahren nach Hause«, sagt er. »Du legst dich aufs Sofa und liest, und ich setze mich vor den Computer.«
    »Wie immer, oder?«
    »Ja, genau. Wie immer.«
    »Das muss ich mir nicht anhören.«
    »Du musst überhaupt nichts.«
    »Ist schon gut.«
    »Wir unternehmen sowieso nichts mehr gemeinsam.«
    »IST SCHON GUT!« Sie parkt das Auto einfach irgendwo an den nächstbesten Straßenrand, haut knirschend den Rückwärtsgang rein
     und rutscht dabei fast auf einen abschüssigen Feldweg neben der Straße, weil ihr jetzt alles vollkommen egal ist. Er hat seinen
     Willen bekommen, ist aber trotzdem nicht zufrieden, während sie dasteht wie eine unzurechnungsfähige Hysterikerin, diesich nicht mal mit Geschrei durchsetzen kann. Die Quintessenz dieses grässlichen Tages lautet, dass nichts mehr zu retten
     ist.
    »Was soll das? Ich denke, du willst nach Hause.«
    »Nein. Wir machen jetzt genau das, was du willst.«
    »Mir ist die Lust vergangen.«
    »Dann bleib sitzen.«
     
    »Ihr Name?«
    »Barbara Fleiss.« Der Polizist ist stämmig und jung. Er schwitzt. Seine Kollegin ist einen Kopf größer und schreibt fleißig
     mit.
    »Haben Sie Papiere?«, fragt der Polizist. Er nimmt seine Mütze ab, streicht sich durch die kurzen blonden Haare und setzt
     sie wieder auf. Diese Bewegung macht er wahrscheinlich zwanzig bis dreißig Mal täglich, ohne es zu merken. Sein Hemdkragen
     sieht feucht aus.
    »In der Handtasche. Die ist weg.«
    »Warum haben Sie das Auto eigentlich ausgerechnet hier abgestellt?«
    »Entschuldigung, wir sind doch nicht in der Bronx!«
    »Die Gegend ist einsam. Kaum Wohnhäuser, fast nur Gewerbe. Am Wochenende ist wenig los. Das zieht potenzielle Täter natürlich
     an.«
    »Der Asphalt ist gut. Ganz neu, sehr fein, schön glatt, keine Risse. Der beste Asphalt der Stadt. Ideal zum Skaten.« Sie ist
     vollkommen durchgeschwitzt. Wahrscheinlich klebt ihr die Wimperntusche verschmiert unter den Augen. Sie hasst das.
    »Aha«, sagt der Polizist und sieht sie jetzt durchdringend an, als sei sie drauf und dran, etwas zu gestehen. Sie zeigt mit
     dem Kopf in die Richtung des Mannes, mit dem sie seit acht Jahren zusammen ist und seit fünf Jahren zusammenlebt. Er hat sich
     an einen Baum gelehnt, sieht irgendwohinund tut so, als ginge ihn das alles nichts an. Als ginge sie ihn
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