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Wer Schuld War

Titel: Wer Schuld War
Autoren: Christa Bernuth
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stattfindet, das zu ihrem Tagesablauf seit fünf Jahren dazugehört, das man demzufolge eigentlich gar nicht
     vergessen
kann
. Aber so ist sie, so schludrig, dass sie in jedem Hotelzimmer mindestens ein Kleidungsstück oder ihr Haarwaschmittel in der
     Dusche liegen lässt, dass sie Manuels Geburtstag vergisst, und den Namen seiner Lieblingswurst, dass er ausschließlich alten
     Gouda mag,
nicht
mittelalten, und dass er es zum Kotzen findet, wenn sie ihre Handtasche auf dem Herd abstellt und ihre Post auf dem Küchentisch
     deponiert, statt sie sofort in ihr Arbeitszimmer zu bringen.
    Du lebst in deiner eigenen Welt. Da passe ich nicht rein.
    Ja, natürlich ist sie nicht perfekt, wer ist das schon? Wer gibt Manuel das Recht, sie einfach mit diesen ganzen toten
Sachen
allein zu lassen, der Stereoanlage und dem Doppelbett, dem Teakholz-Tisch, den Pseudo-Bauhaus-Stühlen und dem neuen Kleiderschrank,
     all diesem Zeug, das jetzt höhnisch grinsend hier herumsteht und sie anglotzt.
     
    Barbara trocknet sich ab, auch wenn sie viel lieber in eine Art Winterschlaf gefallen wäre, in eine herrlich komatöse Bewusstlosigkeit,
     so lange, bis sich bestimmte Dinge wie durch Zauberei von selbst erledigt hätten. Aber dann schlüpft sie doch in ihre Gummi-Flipflops,
     streichelt die Katzen, die sich an ihren Beinen reiben und ihre Hungergeräusche in Form eines hohen, stimmhaften Schnurrens
     von sich geben, schleppt sich im Bademantel in die Küche, gibt den Katzen Futter und verschließt die halb leere Dosemit einem Plastikdeckel, der eigentlich zu einem Behälter mit vegetarischem Brotaufstrich gehört, den sie gestern in den Müll
     geworfen hat, weil sie vegetarischen Brotaufstrich nicht ausstehen kann und Manuel ja nicht mehr da ist. Gleich nach dieser
     triumphalen Geste hat sie allerdings volle fünf Minuten lang geheult. Die Erinnerung daran scheint anregend zu wirken, denn
     schon geht es wieder los, weint sie so selbstverständlich, wie sie pinkeln geht, während ein Teil von ihr ganz kühl bleibt,
     sich von oben betrachtet und eine Frau sieht, die im Bademantel auf dem Küchenboden sitzt, mit einem Schneebesen auf das Linoleum
     einprügelt, »Du bescheuerter Scheißkerl« schluchzt, und sich einerseits schämt und andererseits beinahe hofft, dass möglichst
     viele Leute hören, wie sie sich fühlt.
    Sie muss sich nicht zusammenreißen, schließlich hat sie frei, und die Beerdigung ist erst um elf. Also gibt sie alles, um
     den unangenehmen Prozess zu beschleunigen, versucht, sich an Manuels Gesicht zu erinnern, wenn ausnahmsweise alles in Ordnung
     war, sein Lachen, seine Lippen, die hart aussahen, aber ganz weich waren. Aber, nein, es ist viel effizienter, ihn zu hassen,
     ihn und die unfassbare Möglichkeit, die sich immer mehr zur Tatsache verdichtet, nach acht Jahren Nestwärme, in der man es
     sich bei allem Ärger doch immer gemütlich eingerichtet hat, plötzlich wieder draußen in der eisigen Zugluft zu stehen, als
     wäre nichts davon je wahr gewesen, als hätte man immer nur gefroren. Und schon fließen wieder die Tränen, an der Nase vorbei,
     bahnen sich ihren Weg den Hals hinunter. Barbaras ganzes Gesicht ist nass und garantiert voller roter Flecken, während der
     kalte Boden eine Liaison mit ihrem Hintern eingeht. Irgendwo in der Wohnung spielt ihr Telefon die ›Kleine Nachtmusik‹.
    Es findet sich in ihrem Bett. Barbara hat mehr oder weniger darauf geschlafen. Als sie abhebt, ohne die Nummerzu erkennen, weil sie mit ihren verschwollenen Augen fast nichts sehen kann, ist die Leitung schon wieder tot. Sie schlappt
     wieder zurück in die Küche, wo die Katzen breit und platt wie pelzige Flundern vor ihren Fressnäpfen kauern. Und während sie
     noch darüber nachdenkt, was sie jetzt tun soll, springt Mops auf ihren Schoß und rollt sich dort ganz eng zusammen, als sei
     er kein ausgewachsener und total verfetteter Kater, sondern wieder ein sehr kleines, zartes Katzenbaby, und dann springt auch
     noch Bär auf den Stuhl neben ihr, und plötzlich starren sie beide, Mops von unten und Bär von der Seite, aus ihren grünlich
     schimmernden Augen an, als sei sie ihnen eine Antwort schuldig. Geistesabwesend krault sie Bär das weiße Felllätzchen unter
     dem Kinn. Da klingelt das Telefon ein zweites Mal, aber es ist nicht Manuel, sondern Gina.
    Barbara bringt mühsam ein enttäuschtes »Hallo« zustande, dabei hat sie Ginas Anruf ja erwartet, schließlich hatten sie ausgemacht,
     zusammen zur Kirche
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