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Wer Schuld War

Titel: Wer Schuld War
Autoren: Christa Bernuth
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siehst ziemlich blass aus.«
    »Es geht schon. Bei mir ist im Moment eine Menge los.« Oder gar nichts, je nachdem, wie man die Dinge betrachtet. Nur klingt
     »gar nichts« natürlich viel deprimierender als »eine Menge«, weshalb sich Barbara zu letzterer Sprachregelung entschlossen
     hat. Aber als Alex den Arm um sie legt und fragt, was denn nun wirklich schiefgegangen ist, hätte sie am liebsten wieder mal
     geweint. Stattdessen sagt sie: »Ich weiß nicht genau«, und merkt im selben Moment, dass das nicht nur stimmt, sondern dass
     sie es auch plötzlich satthat, über dieses Thema zu reden.
    »Es hat eben nicht geklappt«, sagt sie jetzt, und überlegt, ob diese Äußerung nun das endgültige Aus markiert, ob sie es damit
     hergeredet hat.
    »Noch seid ihr ja nicht getrennt«, sagt Alex. »Jedenfalls nicht richtig.«
    »Er hat sich seit fünf Tagen nicht gemeldet. Ich habe keine Ahnung, wo er gerade ist und was er macht. Der Job in Qatar war
     die Gelegenheit, alles hinter sich zu lassen, ohne das böse Wort in den Mund nehmen zu müssen. Ein Geschenk des Himmels. Er
     ist bestimmt heilfroh.« Sie hört ihre eigenen Worte – sachlich und klar heben sie sich vom dumpfen Stimmengewirr der anderen
     ab   –, und natürlich glaubt sie trotzdem nichts davon, erwartet immer noch Widerspruch, irgendein Zeichen, dass alles gut gehen
     wird, auch wenn es gerade nicht so aussieht. Alex ist so freundlich, darauf einzugehen, sagt »Das ist ja gar nicht wahr«,
     und nimmt sogar ihre Hand, was sie nicht nur zu schätzen weiß, sondern beinahe rührend findet, weil er normalerweise so nicht
     ist. Nicht so körperlich.
    »Als Architekt hatte er hier keine Perspektive«, fährt er mit sanfter Stimme fort, Balsam in ihre Ohren zu träufeln, »das
     hast du selbst gesagt.«
    »Du bist ein guter Freund«, sagt Barbara und meint es auch so. »Was würde ich ohne dich machen?«
    »Ach, was. Ich sage nur die Wahrheit.«
    »Das ist nett.«
    »Was ist daran nett?«
    »Man hat das Gefühl, man könnte dir alles erzählen. Geht das eigentlich allen Leuten so mit dir?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Ich kenne dich schon so lange, aber manchmal habe ich das Gefühl, ich weiß viel weniger über dich als du über mich.« Barbaras
     Stimme bekommt einen flirtigen Unterton,wie immer, wenn sie mit Alex zusammen ist. Das ist ein Spiel zwischen ihnen, ein kleiner, müheloser Dialog, der nie abreißt
     und in dem keiner dem anderen etwas vormachen muss.
    »Das kommt dir nur so vor«, sagt Alex und hält noch immer ihre Hand, die ihm Barbara nun so beiläufig wie möglich entzieht.
    »Du wunderst dich über gar nichts, stimmt’s?«
    »Nein. Alles ist möglich.«
    »Es hätte nicht Qatar sein müssen. Qatar ist am Ende der Welt.«
    »Nicht einmal sechs Flugstunden. Das ist doch kein Problem.«
    »Du Optimist.«
    »Ich übe noch.« Alex lächelt, Barbara lächelt zurück, fragt: »Und du, Alex, hast du Pauls Seele gesehen?«
    »Nicht direkt seine Seele, eine Verschiebung der Luft, wie über heißem Asphalt. Ich denke, er ist glücklich da, wo er jetzt
     ist.«
    »Hör auf.«
    »Du wolltest es doch wissen.«
    »Ich wollte einen Witz machen. Weil alles so traurig ist.«
    »Wovor hast du eigentlich so viel Angst?«
    »Meine Ängste sind ein abendfüllendes Thema.«
    »Schau mal, da ist schon wieder dieser Mensch von der Polizei.«
    »Polizei? Wieso Polizei?«
    Alex wendet sich ihr jetzt ganz zu, sichtlich erfreut, dass er offenbar etwas weiß, das sie nicht weiß, und mit jenem Glitzern
     in den Augen, das meistens einer guten Geschichte vorausgeht, sagt er: »Hat dir das noch keiner erzählt? Paul ist umgebracht
     worden.«
    »Wie bitte?« Irgendetwas Schwarzes scheint in ihr aufzusteigen,sie ganz auszufüllen, selbst den Raum um sie herum zu verdunkeln.
    »War er denn noch nicht bei dir?«, hört sie Alex’ Stimme von sehr weit weg.
    »Wer?«, fragt sie, versucht, den Schwindel abzuschütteln.
    »Dieser Mann von der Polizei. Der Blonde an der Bar.«
    »Nein. Wer ist das?«
    »Er war bei mir. Gestern.«
    »Wieso?«
    »Sie haben Pauls Leiche obduziert. Deswegen ist die Beerdigung verschoben worden. Und jetzt ermitteln sie.«
    »Wieso erfahre ich das erst jetzt?«
    »Ich dachte, du wüsstest es schon.«
    »Warum hast du nicht angerufen?«
    »Ich habe angerufen. Gestern. Du hast nicht zurückgerufen, und dein Handy war aus.«
    Tatsächlich sammeln sich auf ihrem Anrufbeantworter eine Reihe von Nachrichten, und darunter ist auch eine von Alex, wie
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