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0943 - Das Vampir-Phantom

0943 - Das Vampir-Phantom

Titel: 0943 - Das Vampir-Phantom
Autoren: Jason Dark
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Hinter uns glitten die Türhälften des Fahrstuhls zusammen, und wir standen in der vornehmen Umgebung des Flurs. Gedämpftes Licht fiel auf den lindgrünen Teppichboden, was mit dem Beige der Wände gut harmonierte.
    Die Nummern der Suiten konnten wir von der Wand ablesen, wo sie in goldenen Buchstaben standen. Wir mußten uns nach rechts wenden, und mein Freund Bill Conolly unterbrach sein Schweigen.
    »Ich kann es noch immer nicht fassen, daß sich eine Person wie Lucy Tarlington, die schon mehr als hundert Jahre alt sein muß, aussieht wie das blühende Leben.«
    »Vampir müßte man sein«, erwiderte ich sarkastisch.
    »Ist auch nicht das Wahre.«
    Wir hatten uns flüsternd unterhalten. Obwohl nichts zu sehen war, hielt uns trotzdem eine gewisse Aura der Spannung umfaßt. Wir sprachen nicht darüber, aber jeder merkte es. Da waren die Bewegungen und auch die Blicke, die davon zeugten.
    Wir schritten vorbei an den Bildern, die noch das alte London zeigten. Wunderhübsche Aquarelle, in sanften und weichen Farben gehalten.
    Die Hälfte der Strecke hatten wir zurückgelegt, und es war nichts geschehen. Auch das Kreuz, das vor meiner Brust hing, hatte sich bisher nicht erwärmt. Ein Beweis dafür, daß sich schwarzmagische Kräfte nicht in unmittelbarer Nähe aufhielten.
    Bill Conolly hatte die Tür als erster erreicht, wo er stehenblieb und auf mich wartete. Ich tat noch einen Schritt, dann stand ich neben ihm, um den Blick zu senken, der die große Klinke traf. Sie bestand aus Messing und wurde sicherlich oft geputzt, denn sie schimmerte golden.
    Der Reporter hatte sein Ohr gegen die Tür gelegt, aber nur kurz gelauscht. Dann trat er etwas zurück und hob die Schultern. »Nichts«, sagte er, »das Holz ist zu dick.«
    Ich war damit beschäftigt, mein Kreuz hervorzuholen und steckte es in die rechte Tasche. Noch fühlte es sich kühl an, das konnte sich aber ändern, wenn die Untote in seine Nähe geriet.
    Damit fing auch das Problem an.
    War Lucy Tarlington tatsächlich ein Vampir? Hatte sie wirklich schon einmal gelebt? Oder gab es eine, die nur so ähnlich aussah?
    Wenn wir hier vor der Tür stehenblieben, würden wir keine Antwort bekommen. Es war nicht eben die feine englische Art, einfach in eine fremde Suite einzudringen, aber es mußte sein, denn ich wollte Lucy mit meinem geweihten Kreuz konfrontieren.
    Wir wußten auch nicht, ob die Tür von innen verschlossen war. Da konnten wir Glück und auch Pech haben, und ich hatte schon die Hand ausgestreckt, um die Klinge zu erreichen, als ich in der Bewegung stoppte und Bills Haltung ebenfalls noch gespannter wurde.
    Wir hatten beide das Geräusch gehört.
    Kein Schrei, sondern mehr einen dumpfen Aufprall.
    Wir schauten uns an.
    Bill nickte.
    Meine Hand schnellte vor. Ich drückte die Klinke nach unten und stieß die Tür auf.
    Wir hatten freie Bahn. Im selben Augenblick hörten wir das furchtbare Röcheln!
    ***
    Hal Doring hatte in seinem Leben schon einiges durchlebt und durchlitten. Er kannte die Menschen, er kannte all ihre Stärken, Schwächen, Vorteile und Gemeinheiten. Auch er war ein Mensch, und all diese Eigenschaften vereinigten sich in ihm. Was er aber in seiner Suite jetzt erlebte, das wollte ihm nicht in den Kopf, denn es grenzte an Wahnsinn und war mit der Logik nicht nachzuvollziehen.
    Vor ihm stand eine attraktive, blonde Frau, die ein dunkelrotes Kleid mit einem sehr gewagten Ausschnitt trug. Sie hätte seine Geschäftspartnerin sein sollen und müssen. Um einen Deal auszumachen, hatten sie das Fest unten im Saal verlassen und waren in diese Suite gefahren, aber diese Frau war nicht mehr diejenige, die er kennengelernt hatte. Von einem Augenblick zum anderen hatte sie sich verändert und ihm die Wahrheit präsentiert.
    Die Wahrheit ihres Gesichts!
    Es gab dieses Gesicht. Es gab auch den weit geöffneten Mund. Es gab ebenfalls die Falten in ihrem Gesicht, aber das war nicht wichtig. Er sah nur den Mund, den weitaufgerissenen Mund.
    Sie hatte ihn nicht nur zum Spaß geöffnet, denn sie wollte ihm das zeigen, worauf es ihr ankam.
    Ihre zwei besonderen Zähne.
    Rechts und links ragten sie aus dem Oberkiefer wie zwei dicke Pfeile.
    Das war kein Gebißaufsatz aus dem Zauberladen, das waren echte Vampirzähne. Folglich war Lucy ein Vampir.
    Dieser Gedanke beherrschte ihn. An die Folgen, die für ihn daraus entstehen konnten, dachte er nicht. Hal Doring hatte diese Veränderung dermaßen überrascht, daß er dauernd auf den gräßlichen Mund schauen
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