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Der globale Eingriff

Der globale Eingriff

Titel: Der globale Eingriff
Autoren: James White
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1 Intensivstation
     
     
     
    Trotz der Fortschritte in der Medizin und der Weiterentwicklung der damit verbundenen biologisch-sensorischen Hilfsmittel und der Bildschirmüberwachung war es für die Ausübung intensiver medizinischer Pflege nach wie vor notwendig, daß eine hochtrainierte Schwester all ihre Aufmerksamkeit einzig auf einen kritisch kranken Patienten konzentrierte – wenn es die Personalkapazität erlaubte.
    Als Malcolm Ann innerhalb der Intensivstation zurückließ und langsam in Richtung des mit Glaswänden umgebenen Monitorraums ging, sah er, daß heute nacht weder ein Mangel an Personal noch an Patienten bestehen würde. Wenn er Glück hatte, würde er den Monitorraum in seiner jetzigen Schicht nicht mehr als fünfzigmal verlassen müssen. Aber als Malcolm sich die Krankenblätter und Kurven, die Aufschluß über den klinischen Zustand gaben, anschaute, befürchtete er, daß er in dieser Nacht nicht einmal bescheidenes Glück haben würde.
    Die Repetierschirme mit ihren weitaus genaueren Angaben bestätigten im Monitorraum seine Befürchtungen.
    „Irgend etwas Ungewöhnliches?“ fragte er Chiak, der am Tag Dienst gehabt hatte.
    „Nicht viel“, antwortete der andere Doktor. Er schaute mit müden, rotgeränderten Augen, die nur teilweise von den Spiegelungen Dutzender Monitoren auf seiner Brille verdeckt wurden, zu Malcolm auf. „Die meisten sind in dem selben Zustand wie gestern nacht. Leider trotzdem nicht allzu stabil. Drei neue Einlieferungen. Zwei SVUs und ein SV. Einer von den Straßenverkehrsunfällen sollte durchkommen. Die Schußverletzung ist in Kabine vier, wo der alte Rawlins gewesen ist. Den haben wir heute nachmittag verloren.“ Plötzlich fing er an zu gähnen. Er zeigte dabei eine belegte Zunge und seine nicht sehr guten Zähne. Dann fügte er hinzu: „Und es geht das Gerücht um, daß der Prof. heute nacht irgendwann auf Visite kommt.“
    „Ich werde mich bestens benehmen“, sagte Malcolm trocken. Lächelnd fuhr er fort: „Das ist weniger ein ausgewogenes medizinisches Urteil als eine freundliche Beobachtung, aber du siehst furchtbar aus, Chi. Sogar deine Brillengläser sind blutunterlaufen. Warum gehst du nicht mal für ein paar Stunden raus hier? Was dir guttun würde, wäre ein wenig frische Luft und Bewe …“
    „Frische Luft, in dieser Stadt!“ unterbrach ihn Chiak. „Außerdem könnte auch ich einige freundliche Beobachtungen machen, und du gehst gerade zum Dienst. Du siehst geschwächt aus und … Na ja, als Junggeselle bin ich vielleicht auch nur ein wenig neidisch.“
    „Vielleicht“, sagte Malcolm und lächelte wieder. „Aber du solltest die Umgebung wechseln, wenn auch nur für kurze Zeit. Seit deiner letzten Beförderung steht dir für vier Tage im Monat ein Pferd zu. Für Freizeitfahrten. An deinem nächsten freien Tag könntest du dich früh auf die Socken machen und …“
    „Ich kann mit den blöden Viechern nicht umgehen“, sagte Chiak, als er, steif vom langen Sitzen, aus seinem Stuhl kletterte und zur Tür ging. „Gute Nacht.“
    „Gute Nacht“, sagte Malcolm und setzte sich auf den leeren Drehstuhl. Er rief die Fallstudien ab; zuerst projizierte er die der neuen Einlieferungen auf den Bildschirm, dann die jüngsten Beobachtungen an den anderen Patienten, die gemacht worden waren, seitdem er am frühen Morgen seinen Arbeitsplatz verlassen hatte.
    Als er damit fertig geworden war, hatte Ann von der Tagesschwester übernommen und wies dem Nachtpersonal seine Patienten zu.
    Jeder stattfindende Wechsel wurde von den Kameras übertragen, während die Repetierschirme die winzigen Änderungen bei Puls und Blutdruck zeigten, die durch die kurze Anwesenheit dreier anstelle von einer Person am Bett verursacht wurden. Geräuschabnehmer übertrugen die ruhigen Stimmen von Ann und der ablösenden sowie der abgelösten Schwestern. Von jedem Bett, dessen Besetzer nicht an ein Atemgerät angeschlossen war, konnte man das dunkle monotone Gemurmel der endlos mit sich selber redenden Patienten hören.
    Ein Patient durfte keinen Schmerz erleiden, wenn eine Linderung möglich war, und heutzutage gab es wenige Zustände, in denen das mit ihm zusammenhängende Unbehagen nicht gänzlich verhindert werden konnte. Aber die schmerztötenden Drogen, besonders Neomorph, waren denen nahe verwandt, die die Sicherheitsorganisationen der Welt bei intensiver Befragung benutzten. Deshalb plapperten die ernstlich kranken Patienten genau wie eines schweren Verbrechens
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