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Vampirsohn

Titel: Vampirsohn
Autoren: J.R. Ward
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1

    Claire Stroughton griff nach ihrem Coffee-to-go-Becher, ohne ihre Augen von dem Testament zu nehmen, das sie eben aufgesetzt hatte und nun schnell noch einmal durchsah.
    »Ich hasse es, wenn du das machst.«
    Claire warf ihrer Assistentin am anderen Ende des Büros einen Blick zu. »Was denn?«
    »Wenn deine Hand wie eine wärmegesteuerte Rakete im Blindflug auf den Kaffee zuschießt.«
    »Mein Kaffeebecher zieht meine Hand eben magnetisch an.«
    Martha rückte ihre Designer-Brille auf der Nase zurecht. »Na dann ist es ja gut, dass das Ding einen Deckel hat. Übrigens, du wirst zu spät zu deinem 17-Uhr-Termin kommen, wenn du jetzt nicht gehst.«
    Claire stand auf und zog sich ihre Kostümjacke an. »Wie spät ist es denn?«
    »14 Uhr 29. Bei diesem Verkehr brauchst du für die Fahrt nach Caldwell mindestens zwei Stunden. Dein Wagen wartet unten. Und das Konferenzgespräch mit London beginnt in exakt sechzehn … fünfzehn Minuten. Gibt es irgendetwas, das ich vor dem langen Wochenende noch für dich erledigen soll?«

    »Ich habe mir die überarbeiteten Fusionsdokumente für Technitron angesehen und bin damit nicht ganz zufrieden.« Claire reichte ihrer Assistentin einen Papierstapel hinüber, der dick genug war, um als Türstopper zu dienen. »Bitte schick diese Unterlagen gleich per Kurier an die Wall Street Nummer 50. Ich möchte mich Dienstagmorgen um 7 Uhr mit den gegnerischen Anwälten zu einer Besprechung treffen. Sie sollen zu uns kommen. Brauchst du noch etwas von mir, bevor ich gehe?«
    »Nein, aber ich würde eines gerne wissen: Was für ein sadistischer Langweiler bestellt seine Anwältin zu einer Besprechung um 17 Uhr am Freitag vor dem Labor-Day-Wochenende?«
    »Der Kunde ist eben König. Und ob sadistisch oder nicht, das ist Ansichtssache.« Claire packte das Testament in eine Dokumentenmappe und schnappte sich dann ihre Handtasche. Während sie sich noch einmal in ihrem geräumigen Büro umsah, überlegte sie kurz, welche Arbeit sie über das Wochenende erledigen wollte. »Was habe ich denn jetzt noch vergessen?«
    »Deine Tablette.«
    »Ja, richtig.« Claire nutzte den kleinen Rest Kaffee in ihrem Becher, um die letzte der Tabletten hinunterzuspülen, die sie die vergangenen zehn Tage hatte einnehmen müssen. Als sie die Tablettenverpackung in den Papierkorb warf, fiel ihr auf, dass sie eigentlich schon seit Sonntag nicht mehr niesen oder husten musste. Das Zeug hatte offensichtlich gewirkt.
    Verdammte Flugzeuge, diese klimatisierten Bazillenschleudern!

    »Begleitest du mich noch zum Lift?«
    Claire gab Martha auf dem Weg zum Fahrstuhl noch ein paar letzte Anweisungen, während sie gleichzeitig einigen der etwas mehr als 200 Anwälte und Assistenten, die bei Williams, Nance & Stroughton arbeiteten, zum Abschied zuwinkte. Martha hielt mit ihr Schritt, obwohl sie noch immer den riesigen Papierstapel in den Armen hielt. Genau das schätzte Claire an ihrer Assistentin ganz besonders: Sie war immer zur Stelle, wenn sie gebraucht wurde.
    Bei den Aufzügen angekommen, drückte Claire auf den Pfeil nach unten. »Okay, ich denke, das ist alles. Ich wünsche dir ein schönes Wochenende.«
    »Danke, gleichfalls. Und gönn dir endlich mal eine Pause, okay?«
    Claire betrat den mit Mahagoni vertäfelten Lift. »Geht nicht. Technitron steht am Dienstag an. Ich werde wohl den Großteil des Wochenendes hier verbringen.«
    Vier Minuten später manövrierte sie ihren Mercedes im Schritttempo durch den dichten Verkehr von Manhattan und versuchte, möglichst schnell aus der Stadt zu gelangen. Elf Minuten später wurde sie mit London verbunden.
    Das Konferenzgespräch dauerte 53 Minuten, und Claire war beinahe froh darüber, dass sie mehr oder weniger im Stau steckte, denn das virtuelle Meeting verlief nicht gut. Das war recht häufig der Fall. Fusionen und Übernahmen von Firmen im Wert von mehreren Milliarden Dollar waren nie einfach und nichts für schwache Nerven. Das hatte ihr schon ihr Vater beigebracht.

    Dennoch war Claire erleichtert, als sie das Gespräch endlich beenden konnte und sich nur noch auf die Fahrt konzentrieren musste. Caldwell, New York, war nur ungefähr 150 Kilometer von der Innenstadt entfernt, aber Martha hatte Recht gehabt. Der Verkehr war höllisch. Offensichtlich versuchten alle gleichzeitig, dem Big Apple den Rücken zu kehren und die Stadt auf demselben Weg zu verlassen wie Claire.
    Für gewöhnlich würde sie sich eigentlich gar nicht die Zeit nehmen, um einen Klienten zu Hause
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