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Atemlose Begierde

Atemlose Begierde

Titel: Atemlose Begierde
Autoren: Isabelle Sander
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    Nach mehr als sieben Monaten betrat ich zum ersten Mal
wieder englischen Boden. Ich hatte eine Ausstellung vorzubereiten, auf die ich
lange und konzentriert hingearbeitet hatte. Nach einem entspannten Sommerurlaub
im Golf von Neapel flog ich los. Meine Gemälde waren abgeholt, der Transport
komplikationslos verlaufen. Die Galeristin war sympathisch, sehr hilfsbereit und
professionell. Ich wohnte wie immer im Haus meiner Freunde in Islington und
genoss es, wieder in London angekommen zu sein. Am zweiten Tag der
Aufbauarbeiten in der Galerie konnte ich nicht widerstehen, Ricks Nummer auf
meinem Mobiltelefon anzutippen. Mehrere Ruftöne erschallten, es kribbelte leicht
in meinem Bauch. Ich hatte ihn seit vielen Monaten nicht mehr gehört geschweige
denn gesehen.
    Eine männliche Stimme ertönte: »Ja, hallo?«
    »Hallo, Rick?«
    »Nein, tut mir leid.«
    Die Stimme war fremd, obwohl die Nummer stimmte.
    »Kennen Sie Rick Wealder?«
    »Nein, tut mir leid. Ich weiß, dass ich seine Nummer habe. Sie sind
nicht die Erste, die bei mir anruft. Ich fürchte aber, ich kann Ihnen nicht
weiterhelfen.«
    »Ja, ähm, schade, tut, tut mir auch leid.«
    Ich war verwirrt, legte auf. Er hatte seine Nummer aufgegeben, die
einzige direkte Verbindung zwischen ihm und mir. Gekappt. Ich konnte ihm nicht
böse sein. Er führte sein Leben, ich meines. Es verband uns nichts, außer dem
Wunsch, einander sehen oder hören zu wollen, von Zeit zu Zeit. Es war Abend, ich
konnte ihn im Büro erst am nächsten Morgen ereichen. Spätestens jetzt wusste
ich, dass mich nun wieder diese Obsession befallen würde. Diese Manie, die durch
die Gefahr, etwas vielleicht nicht bekommen zu können, ausgelöst wurde und sich
bei mir immer in zwanghaftem Verhalten auswirkte – jetzt musste ich ihn erreichen.
    Am nächsten Morgen nach dem Frühstück, die Zeitung kurz überflogen,
stürmte ich aus dem Haus. Ich wählte seine Büronummer.
    »Wealder & Sons Ldt., wie kann ich Ihnen behilflich sein?«
    »Ja, hallo, hier ist Jo Lindberg, ich würde gerne mit Rick
sprechen.«
    »Tut mir leid, Mr Wealder ist nicht im Büro. Möchten Sie eine
Nachricht hinterlassen?«
    »Wenn Sie so nett wären, mir seine Mobilfunknummer zu geben?«
    »Tut mir leid, seine Nummer darf ich nicht herausgeben, aber ich kann
gerne eine Nachricht aufnehmen und sie an Mr Wealder weiterleiten.«
    Sehr erfreulich, jetzt blieb ich schon bei seiner Sekretärin hängen.
Es war zehn Uhr vormittags. Es konnte ewig dauern, bis er ins Büro kam.
    »Ja, bitte, geben Sie ihm meine Nummer. Es würde mich freuen, wenn er
mich zurückruft.«
    »Darf ich fragen, in welcher Angelegenheit?«
    Jetzt war sie auch noch neugierig, oder vielleicht machte sie einfach
nur ihren Job nach Anweisung. Warum musste Mr Wealder neuerdings so
beschützt werden?
    »Er soll mich anrufen, wenn er die Zeit dazu findet«, sagte ich und
legte auf.
    Ich war den englischen Ton nicht mehr gewohnt. Beinahe hatte ich
vergessen, dass hier alles nicht einfach und direkt funktionierte, sondern man
sich erst mühevoll durch ein emotionales Labyrinth schlängeln musste, um ans
Ziel zu kommen. Die Dinge in Ricks Leben schienen sich verändert zu haben: neue
Nummer, neue Sekretärin, neuer Umgang mit alten Bekannten … Ich war
gespannt und hoffte, dass er von sich hören ließ. Jetzt, wo alles so kompliziert
wurde, schien sich auch noch der letzte Funken Freundschaft, der uns verband, zu
verflüchtigen. Ich hätte ihm eine Mail schicken können, mich anmelden sollen.
All diese Gedanken schwirrten durch meinen Kopf. Dann erinnerte ich mich wieder,
wie unkompliziert Rick war. Ich beschloss, mich zu entspannen und mich weiter
auf die Aufbauarbeiten zu konzentrieren. Ich fuhr mit dem Bus zur Galerie.
    Die Sonne blinzelte durchs Fenster; ich blickte nach oben, sah die
Wolken vorbeiziehen und atmete friedlich durch. Es war bereits zwei Uhr
nachmittags, aber keine Antwort von Rick. Hier war es wieder, das Gefühl, etwas
nicht haben zu können, und all die Gedanken, warum der Rückruf nicht kam. Ich
zündete mir eine Zigarette an und spazierte durch meine beinahe fertige
Ausstellung. Mein Telefon klingelte. Es war Tara, meine Gastgeberin, die sich
mit mir zum Abendessen treffen wollte. Ich willigte gerne ein.
    Als ich bei ihr in Islington ankam, hatte Tara bereits alles
vorbereitet. Wir saßen in ihrem Esszimmer mit Blick auf den Garten und aßen
einen wunderbaren gegrillten Lachs mit Radicchio, Pinienkernen und
Himbeerbalsam, tranken Wein und
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