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Das doppelte Rätsel

Das doppelte Rätsel

Titel: Das doppelte Rätsel
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Besatzung der Havarierakete lag keuchend auf ihren Profilbetten. Der ungeheure Andruck preßte ihre Körper in die Schaumgummiformen. Der Pilot hielt in der Hand den Unterbrecher, einen Gummiball, der beim Zusammendrücken der Hand pneumatisch den Antrieb ausschalten würde, eine einfache, aber unersetzliche Vorrichtung für Havarie- und andere Spezialschiffe, die oft die Beschleunigung bis an die Grenze des Erträglichen steigern mußten. Plötzlich leuchteten über den Liegen rote Lampen auf. ein Gong ertönte, Sicherungsreifen schoben sich halbkreisförmig über die reglos liegenden Gestalten und rasteten hörbar ein. Das Summen des Antriebs erstarb, und die Körper, von den Fesseln ihres achtfachen irdischen Gewichts befreit, hoben sich auf den Liegen. „Halbzeit!“ meinte der Triebwerksingenieur in einem Ton, als gehöre solch ein Flug zu seiner täglichen Ausgleichsgymnastik. Die Havarierakete war am Wendepunkt ihrer Flugbahn angelangt, sie befand sich jetzt weiter vom Mond entfernt als die FR 17. Die Besatzung wußte, daß die Rakete sich jetzt drehen mußte, um den Flug wieder abzubremsen, und wußte auch, daß man nach dem heftigen Andruck diese Drehung nicht bemerken würde.
    Schon glimmte ein grünes Licht auf, die Männer korrigierten ihre Lage, die sich bei dem einen oder anderen etwas gegen das vorgeformte Profil verschoben hatte. Und dann saß ihnen wieder dieser fürchterliche lähmende Druck auf der Brust, der nun, nach den Sekunden der Schwerelosigkeit, noch unerträglicher zu sein schien. Noch etwa fünf Minuten vergingen so, dann kündigte ein blaues Licht das Ende des Manövers an. Das Gewicht sank auf die normale irdische Größe — freilich immer noch das Sechsfache dessen, was sie als „Luniks“ — wie sie sich in ihrem Jargon nannten — gewöhnt waren.
    „Junge, Junge!“ stöhnte der Arzt, mehr um sich selbst zu hören als um den anderen etwas zu sagen. „Junge, Junge, wenn man bedenkt, daß die früher nur so geflogen sind!“
    „Nicht sprechen!“ sagte der Pilot, der hier, in der Rakete, Befehlsgewalt hatte. „Glieder lockern!“ Die vier tappten und sprangen in ihren verschiedenfarbigen Kombinationen wie Tanzbären umher. Dann kam das nächste Kommando: „Reaktionstraining!“ Sie stellten sich zu Paaren auf und führten eine Art Boxkampf aus, bei dem es jedoch darauf ankam, daß keiner den anderen traf.
    Schließlich winkte der Pilot ab. „Beenden! Hat jemand Hunger? Durst? Übelkeit? Schmerzen? Gut, dann alles auf die Plätze! Anschnallen! Übrigens Doktor“, sagte der Pilot, während er die üblichen Handgriffe ausführte, die zum Übergang von Programmsteuerung auf Befehlssteuerung nötig sind, „wenn Sie mit irgend etwas nicht klar kommen, dann müssen Sie das sofort sagen. Das kleinste bißchen falsche Scham kann uns alle … Na, Sie verstehen schon. Ich sage das auch nur, weil Sie neu sind in unserm Verein, nicht weil ich Angst habe, daß Sie den ersten Arzt nicht würdig vertreten werden. Klar?“
    „Na ja, ich bin ein bißchen aufgeregt, das gebe ich zu, aber das hat nichts zu sagen …“
    „Hat sehr viel zu sagen. Können Sie operieren, wenn Sie aufgeregt sind? Wie ist das?“
    „Na, wie soll ich das beschreiben … Wenn ich am Tisch stehe, spüre ich nur noch die Körperteile, die unmittelbar an der Arbeit beteiligt sind: Kopf, Hände, Arme …“
    Während er das Gespräch mit dem Arzt fortsetzte, um ihm die gefährlichen Hemmungen vor dem Unbekannten zu nehmen, die ein Ernstfall oft auch nach langem Training noch hervorruft, hatte der Pilot eine dunkle Glaskugel zu sich herangezogen, einen Globus ohne Meere und Kontinente, aber mit Längen- und Breitengraden: das Anzeigegerät des Umgebungsradars. Die Kugel drehte sich, und von Pol zu Pol, dem Gesicht des Piloten zugekehrt, zog sich ein Leuchtstreifen, der auf diese Weise nach dreißig Sekunden, der Umdrehungszeit der Kugel, einmal die Umgebung abgetastet hatte. Endlich zeigte sich ein Lichtknoten auf der Linie, der noch ein wenig nachleuchtete, als die Kugel sich weiterdrehte. „Da haben wir sie!“ murmelte der Pilot, stellte das Zielradar auf die ermittelte Länge und Breite ein, faßte die Rakete FR 17 auf und brachte ihr Radarbild unter das Fadenkreuz. Dann schaltete er das Kurskommandogerät dazu und rief: „Achtung!“ Die Männer spürten, wie ihr Gewicht um ein weniges abnahm. Der Pilot drehte weiter an seinen Knöpfen, so daß das Radarbild immer unterm Fadenkreuz blieb, während das
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