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Eisberg

Titel: Eisberg
Autoren: Clive Cussler
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Prolog
    Der durch Drogen verursachte Schlaf verflüchtigte sich allmählich, und in qualvollem Kampfe erwachte das Mädchen zum Bewußtsein. In ihre sich langsam öffnenden Augen floß ein trübes und milchiges Licht, und in ihre Nase stieg ein abscheulicher fauliger Gestank. Sie war nackt, ihr bloßer Rücken war an eine feuchte, gelbe, mit Schleim überzogene Wand gepreßt. Es ist nicht wahr, es ist einfach unmöglich, versuchte sie sich während des Erwachens einzureden. Es mußte eine Art entsetzlicher Alptraum sein. Noch bevor sie jedoch die in ihr aufsteigende Panik niederzukämpfen vermochte, wuchs plötzlich noch viel mehr gelber Schleim vom Boden hoch und kroch die Schenkel ihres wehrlosen Körpers empor.
    Völlig außer sich vor Schrecken, begann sie zu schreien, wahnsinnig zu schreien, während der abscheuliche Schleim ihre nackte, schweißnasse Haut überzog. Ihre Augen quollen aus den Höhlen und sie wehrte sich verzweifelt. Es war zwecklos – ihre Hand- und Fußgelenke waren fest an die schlammbedeckte Wand gekettet. Langsam und stetig kroch der widerliche Schleim über ihre Brüste. Und gerade als er die Lippen des Mädchens berührte, hallte ein entsetzlicher Lärm durch das Dunkel des Zimmers, und eine unsichtbare Stimme sagte: »Es tut mir leid, daß ich Ihre interessante Lektüre unterbrechen muß, Lieutenant, aber die Pflicht ruft.«
    Lieutenant Sam Neth klappte das Buch, das er in seiner Hand hielt, zu. »Verdammt, Rapp«, sagte er zu dem säuerlich dreinblickenden Mann, ebenfalls ein Lieutenant, der neben ihm im dröhnenden Cockpit saß, »jedesmal, wenn ich an eine spannende Stelle komme, mischen Sie sich ein.«
    Rapp deutete auf das Buch. Auf dem Umschlag war ein Mädchen zu sehen, das in einem Becken voll gelben Schlamms steckte und, wie Rapp folgerte, durch ein Paar riesige Brüste vorm Untergehen bewahrt wurde. »Wie können Sie diesen Schwachsinn nur lesen?«
    »Schwachsinn?« Neth verzog sein Gesicht schmerzlich. »Sie mischen sich nicht nur in meine Privatangelegenheiten, Lieutenant, Sie gefallen sich auch noch in der Rolle meines persönlichen Buchkritikers!« Er rang in gespielter Verzweiflung die Hände. »Warum spannt man mich nur immer mit einem Copiloten zusammen, dessen primitives Gehirn sich weigert, den Bildungsstand unserer Zeit zu akzeptieren?« Neth legte das Buch auf ein primitiv zusammengebautes Gestell, das in einem Seitenfach an einem Kleiderhaken aufgehängt war.
    Einige zerlesene Zeitschriften, die nackte Mädchen in zahlreichen verführerischen Posen zeigten, lagen ebenfalls auf dem Gestell und ließen erkennen, daß Neth, was die Literatur betraf, nicht unbedingt auf die Klassiker eingeschworen war.
    Neth seufzte, dann richtete er sich in seinem Sitz auf und blickte durch die Windschutzscheibe hinunter auf das Meer.
    Das Patrouillenflugzeug der U.S.-Küstenwache war nun schon seit vier Stunden und zwanzig Minuten auf einem langweiligen achtstündigen Routineflug, um einen Eisberg zu überwachen, dessen Weg kartographisch festgehalten werden sollte. Die Sicht war, bei wolkenlosem Himmel, glasklar, und es herrschte eine sanfte Dünung – für den Nordatlantik Mitte März selten gute Bedingungen. Im Cockpit kümmerte sich Neth mit vier Mitgliedern der Crew um die Steuerung und Navigation der riesigen vierstrahligen Boeing, während die restlichen sechs Mann im Laderaum Dienst taten und den Radarschirm sowie andere wissenschaftliche Instrumente überwachten. Neth schaute auf seine Uhr, wendete das Flugzeug in einem weiten Bogen und brachte es auf direkten Kurs zur Küste von Neufundland.
    »Genug für heute.« Neth lehnte sich zurück und griff wieder nach seiner Horrorgeschichte.
    »Bitte, Rapp, beweisen Sie ein bißchen Selbständigkeit. Bis wir in St. John's sind, möchte ich nicht mehr gestört werden.«
    »Ich werd's versuchen«, antwortete Rapp. »Übrigens, wenn das Buch wirklich so spannend ist, können Sie es mir vielleicht leihen, wenn Sie damit fertig sind?«
    Neth gähnte. »Tut mir leid, ich verleihe aus Prinzip keine Bücher.« Plötzlich knackte es in den Kopfhörern, und er griff nach dem Mikrophon. »Okay, Hadley, was haben Sie auf dem Herzen?«
    Hinten, im schwach erleuchteten Rumpf der Maschine, starrte der Obergefreite Buzz Hadley angestrengt auf den Radarschirm, das Gesicht vom unwirklichen, grünen Schimmer des Schirms übergossen. »Ich habe ein seltsames Signal, Sir. Achtzehn Meilen von hier, Richtungskoordinaten drei-vier-sieben.«
    Neth
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