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Das doppelte Rätsel

Das doppelte Rätsel

Titel: Das doppelte Rätsel
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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geringe Schwankung im Antrieb des einen, und schon verschieben sich die „Türme“ gegeneinander um Dutzende von Metern! Außerdem haben die „Bergsteiger“ zusätzlich zu Werkzeugen und Geräten noch ihren gewichtigen Raumanzug zu tragen — alles in allem keine beneidenswerte Aufgabe. Aber für die Besatzung der Havarierakete gab es solche Erwägungen natürlich nicht. Es ging um das Leben von Genossen.
    Der Pilot wandte sich an die anderen. „Wir schießen ein Seil hinüber! Kurt untersucht die FR, Tom sichert, Henri bleibt hier und bereitet alles vor für den Fall, daß wir eindringen müssen. Noch Fragen? Gut. Ich schieße!“
    Er schwenkte seinen Sitz, bis er eine bisher unbeleuchtete Mattscheibe vor sich hatte, drehte an Knöpfen, schaltete, stellte Skalen ein, und dann, als er auf dem Bildschirm die FR im Fadenkreuz hatte, löste er aus.
    Die anderen, die aus dem Fenster sahen, erblickten einen Feuerschweif, der allmählich kleiner wurde. Eine kleine Rakete flog zur FR hinüber und zog ein Seil hinter sich her, das von einer Seiltrommel im Innern der Havarierakete abrollte. Als die Seilzugrakete über dem Kopf der FR stand, wurde die Trommel blockiert, und das Seil riß aus dem Körper der kleinen Rakete ein Netz heraus, das sich entfaltete, auf die Spitze der FR fiel und dort hängenblieb.
    „Es sitzt!“ rief der Arzt. „Sogar ziemlich zentral!“ bestätigte Osterriem. Der Pilot stand auf, nahm ein Fernglas und betrachtete sorgfältig das hellgelbe Seil, das, leicht durchhängend, die beiden Raketen verband. „Wir könnten noch zwei Längen Vorsprung gebrauchen, sonst müßt ihr zu viel hangeln!“ sagte er endlich. Aber Osterriem, der schon in den Raumanzug gestiegen war, winkte ab und gestikulierte. Der Pilot legte das Sprechgerät an und fragte, was los sei. „Du hast den Mond dahinter, das täuscht!“ behauptete Osterriem. „Also gut!“ entschied der Pilot. „Macht euch auf die Reise!“
    Osterriem und Tom Harrar, der junge Arzt, überprüften noch einmal gegenseitig ihre Ausrüstungen und begaben sich in die Schleuse. Als die Pumpen die Luft abgesaugt hatten, drehten sie das Außenschott auf. Unmittelbar über ihren Köpfen lief das Führungsseil aus einem der Ausstoßrohre hinaus in den Raum und verschwand in der Ferne. Weit vor ihnen stand die FR 17 auf ihrem Staustrahl. Osterriem zeigte auf eine der Seiltrommeln, die an der Wand der Schleuse hingen. Tom Harrar nahm sie herunter, befestigte sie am Rücken des Gefährten und klinkte den Karabinerhaken des Transportseils in einen Ring auf dem Boden der Schleuse. Nun band Osterriem die 5-m-Sicherungsleine vom Gürtel, befestigte sie am Ausstieg und turnte hinaus. Sorgfältig klinkte er die beiden Rollen vor Bauch und Brust und das Seil ein und prüfte ihren Sitz. Dann meldete er: „Fertig zur Seilfahrt!“
    „Abfahren!“ tönte die Stimme des Piloten aus den Kopfhörern. „Leine los!“ befahl nun Osterriem, und der Arzt löste die Sicherungsleine vom Rand des Ausstiegs. Mit den Armen stieß sich Osterriem kräftig von der Außenhaut der Havarierakete ab und schwebte, die Beine voraus, in den Raum hinein. Je weiter er sich von der Rakete entfernte, desto schneller wurde dank der Neigung des Seils die Fahrt.
    Bisher hatte Kurt Osterriem wenig Zeit gehabt, an das Schicksal der beiden Astronauten zu denken, auf deren Rakete er jetzt zuflog. Die Vorbereitungen der Seilfahrt hatten alle Aufmerksamkeit in Anspruch genommen. Nun, da er scheinbar bewegungslos zwischen den beiden silbernen Türmen hing und nur darauf zu achten hatte, daß er dem gelben Seil nicht zu nahe kam, das dicht vor ihm mit rasender Geschwindigkeit durch die Rollen schoß, nun fragte er sich: Du kennst doch die Raketen wie deine Westentasche — gibt es irgendein Teil, irgendein System der Rakete, durch dessen Ausfall dieser absurde Widerspruch zu erklären wäre, daß auf der einen Seite die automatische Verbindung vollständig funktioniert, die Besatzung jedoch auf keinerlei Signale antwortet? Er ging in Gedanken noch einmal die ganze Konstruktion der Rakete durch — es gab keine Erklärung. Zum Spekulieren aber war er nicht der Mann. Also, schloß er seine Überlegungen, müssen wir eben weitersehen.
    Er spürte, daß der tiefste Punkt des Seils überschritten war, daß er sich schon auf dem ansteigenden Teil befand, der die vorher gewonnene Bewegungsenergie wieder aufbrauchte. Er richtete seinen Blick fest auf die Außenhaut der FR 17, in der stillen Hoffnung oder
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