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Das doppelte Rätsel

Das doppelte Rätsel

Titel: Das doppelte Rätsel
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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Ingenieur ein, „und wir müßten Regelungsvorgänge, die eine bestimmte Höhe übersteigen, statistisch erfassen!“
    „Also dann an die Arbeit!“ sprach der Kommandant und ließ sich mit dem Diensthabenden der Raumbehörde verbinden. Kurze Zeit darauf begannen die Lochkartenmaschinen des Archivs zu arbeiten, und nach einer halben Stunde lag eine Statistik aller größeren Regulierungsbewegungen in allen Reaktortriebwerken der Berichtszeit vor. Die Kurve, die Anzahl der Bewegungen in Abhängigkeit von der Zeit, sah aus wie eine Hängebrücke: Alle elf Jahre war eine Spitze, und dazwischen sank die Zahl fast bis auf Null ab.
    „Seltsam“, sagte der Testpilot, „die Kurve kommt mir bekannt vor!“ „Ja“, bestätigte Osterriem, „es muß eine Analogie geben!“
    „Können Sie mir jetzt genauer die Geschwindigkeit der thermischen Neutronen angeben?“ fragte Pollux den Ingenieur. Alle sahen erstaunt auf, aber wenn es ihnen auch vorkam, als lenkte diese Frage vom Wichtigsten ab, so hatten sie doch die Fragen des Navigators inzwischen respektieren gelernt.
    Henri Bernaud gab ohne Zögern die gewünschte Auskunft. Pollux zog den Tischrechner zu sich heran und rechnete. Alle blickten auf ihn. Als er sich zurücklehnte, fragte der Kommandant: „Wenn ich die Sachlage richtig einschätze, kann ich jetzt den Chef der Weltraumbehörde anrufen?“
    Pollux sah ihn etwas erstaunt an, nickte dann aber lächelnd. „Die Quelle der Strahlung ist die Sonne!“ erklärte er. „Die Kurve brachte mich darauf.“
    Plötzlich war allen bewußt, woher sie diese Kurve kannten: Sie entsprach genau der Kurve der Sonnenfleckentätigkeit. Immer, wenn die Sonnenflecken ein Maximum hatten, zeigte auch die Regulierungstätigkeit ein Maximum.
    „Weiter!“ forderte der Kommandant Pollux auf.
    „Ja. Wenn man vom Ort der Katastrophe den Weg der Neutronen unter Berücksichtigung ihrer Geschwindigkeit zurückverfolgt, trifft man auf eine große Sonnenfleckengruppe im äquatorialen Bereich der Sonne. Demnach würden gewisse Vorsichtsmaßnahmen bei der Festlegung des Kurses der Rakete genügen, um eine Garantie abgeben zu können …“
    Der Ältere beendete seine Erzählung. „Professor Mirano kam. Der Kopilot wurde geheilt. Heute ist diese Strahlungserscheinung weitgehend erforscht. Einige neue theoretische Erkenntnisse leiten ihren Ursprung davon her. Aber das zu erklären überstiege nicht nur den Rahmen unserer Geschichte, sondern auch meine physikalischen Kenntnisse.“
    Der Jüngere, das „Raumbaby“, schwieg beeindruckt. „Aber“, begann er nach einer Weile, „Sie sprachen anfangs von einem doppelten Rätsel?“
    „Mit vollem Recht!“ erwiderte der Ältere. „Das eine Rätsel, die Ursache der Katastrophe betreffend, wurde gelöst. Das andere … Wissen Sie, ich habe mal versucht, zu meinem eigenen Vergnügen gewissermaßen, die geistige Arbeit zu berechnen, die dieser mittelmäßige Mann Pollux in diesen Stunden geleistet hat. Der ganze Vergleich ist natürlich Unfug, das weiß ich, weil es sich ja hier um unvergleichbare Dinge handelt, aber trotzdem — ich bin von der Frage ausgegangen, wie viele Elektronik nötig gewesen wäre, um das ganz sicher herauszufinden, was er herausfand. Ich habe mit dem Zusammenzählen aufgehört, als ich bei dreitausend Maschinen der heute gebräuchlichen Typen angelangt war. Und sehen Sie, dieses Rätsel, wieso nämlich ein tiefes und echtes Gefühl, eine starke Emotion die Leistungsfähigkeit eines menschlichen Gehirns plötzlich vertausendfachen kann — dieses Rätsel haben wir noch nicht gelöst. Bei diesem Rätsel sind wir kaum so weit, daß wir es exakt formulieren können!“
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