Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das doppelte Rätsel

Das doppelte Rätsel

Titel: Das doppelte Rätsel
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
Vom Netzwerk:
Kommandanten sprachen. Sie hatten sich gesagt: Wenn alles wirklich so abgelaufen ist, muß es Gegenstände geben, an denen die plötzliche Vervielfachung des Gewichts bleibende Spuren hinterlassen hat, und eben nach solchen Gegenständen muß man suchen. Sie fanden in der Lebensmittelreserve des Raumschiffs einige geplatzte Eier. In einem Werkzeugschrank hatte sich ein Hammer aus seinen Klemmen gerissen. Auch bei der Fracht — Bergbaumaschinen für die Erweiterung der Mondstation — hatte sich hier und da ein besonders belasteter Teil verbogen, war hier und da eine Mutter geplatzt. Jedes dieser Anzeichen konnte natürlich — für sich genommen — andere Ursachen haben, aber die Summe all dieser Kleinigkeiten sprach doch sehr für die Hypothese, die sie zu prüfen hatten — wenn auch ein unwiderlegbarer Beweis noch nicht erbracht war. Für Ungeübte wäre es sicherlich sehr schwierig gewesen, sich in dem hier waagerecht liegenden Raumschiff zu bewegen, dessen Gänge und Einrichtungen schließlieh so angelegt waren, daß die Spitze der Rakete oben bedeutete. Aber die beiden waren dergleichen gewöhnt, es handelte sich ja im Grunde um Werftarbeit. Dennoch brummte nun Osterriem gehörig der Kopf, und er spürte eine leichte Übelkeit aufsteigen. Offenbar war der harte Anprall beim „Anklopfen“ doch nicht so ganz ohne Folgen geblieben. Die beiden Männer begaben sich darum in die Zentrale der FR, und der Werftleiter legte sich auf eins der Profilbetten, die ja auch bei Frachtraketen kardanisch aufgehängt sind, also immer nach unten hängen.
    Der Werftleiter sah aus seiner Lage an einer Seitenwand, die über ihm hing, die Initialen der Rakete „FR 17“. Sie erinnerten ihn an etwas, und er hatte das Gefühl, daß es etwas Wichtiges sein müßte, und er zergrübelte seinen schmerzenden Kopf und verfluchte im stillen seine Zerstreutheit. Plötzlich durchfuhr es ihn, und er sprang auf. „Mann — das ist doch die FR siebzehn!“
    Der Testpilot sah ihn verständnislos an. Osterriem erklärte: „Die gehört doch zu den Raketen, in die sie vorige Woche versuchsweise das neue automatische Protokoll eingebaut haben!“
    Nun war auch Johanson im Bilde. Zu Beginn des Linienverkehrs zwischen Erde und Mond, vor fast einem halben Jahrhundert, war es üblich gewesen, daß die Tätigkeit jedes einzelnen Funktionssystems der Rakete während des Fluges automatisch registriert wurde. Später war man aus Platzgründen und wohl auch deshalb, weil das präzise Funktionieren der Apparaturen das überflüssig gemacht hatte, von diesen Einrichtungen abgekommen.
    Nun hatte kürzlich eine Arbeitsgemeinschaft auf dem Transit-Satelliten ein neues, kleineres Gerät entwickelt, das alle Funktionen des Raumschiffs registrieren sollte, und zwar jeweils von einer Generalreparatur bis zur anderen, wovon sie sich eine höhere Effektivität der Reparaturarbeiten versprachen. Der Testpilot entsann sich nun auch, davon gehört zu haben, daß dieses Gerät in einer Reihe von Raketen erprobt werden sollte …
    Während er sich das alles ins Gedächtnis zurückrief, war Osterriem schon dabei, von der Verkleidung des Pilotenpultes einige Platten zu entfernen. Nun wühlte er in den Eingeweiden der Steuerung, rief „hier ist es!“ und zog einen länglichen Kasten hervor. Er zögerte einen Augenblick, dann öffnete er den Deckel und drückte einen Knopf. Nichts bewegte sich. „Jetzt müßte doch der Draht zurückspulen!“ sagte er unruhig, hob den Kasten näher an das Gesicht — und begann plötzlich zu schnüffeln. Dann hielt er Johanson das Gerät unter die Nase und fragte: „Wie riecht das?“
    Staunen malte sich auf dem Gesicht des Piloten. „Durchgebrannt!“ „Genau!“ triumphierte der Werftleiter. „Bei der großen Beschleunigung hat sich die Reibung verhundertfacht, und der Elektromotor hat's nicht mehr geschafft und ist durchgebrannt! — Es ist eben ein Versuchsgerät!“ fügte er wie entschuldigend hinzu. „Aber dann müßte doch bis zu dem Moment alles drauf sein!“
    „Das werden wir bald haben!“ verkündete der Werftleiter, nahm den Kasten unter den Arm und kletterte zum Ausstieg.
    Inzwischen war auf der anderen Seite der Trennwand, die sich durch die große Felsenhalle zog, der Triebwerksingenieur Henri Bernaud dabei, den Antriebsteil der Rakete zu untersuchen. So groß auch sonst die ironische Distanz war, mit der er allen Menschen und Dingen seiner Umwelt begegnete, so groß waren seine Zuverlässigkeit und seine Umsicht in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher