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Das doppelte Rätsel

Das doppelte Rätsel

Titel: Das doppelte Rätsel
Autoren: Karl-Heinz Tuschel
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arbeitende Maschine und spielt nicht plötzlich verrückt. Es gibt keine Ursachen für ein solches sprunghaftes Verhalten.“ Er überlegte einen Augenblick, fuhr dann fort: „Selbst wenn aus äußeren Ursachen, die wir vielleicht bisher übersehen haben, der Reaktor aus der Kontrolle geraten sein sollte — wer hat ihn dann wieder unter Kontrolle gebracht? Immerhin hat er bis zur Landung einwandfrei gearbeitet. Nein, ich kann dem nicht zustimmen.“ „Eine andere Variante haben Sie nicht?“ fragte der Kommandant noch einmal, mehr um sicherzugehen. Der Ingenieur schüttelte den Kopf. „Wer schließt sich der Meinung des Genossen Bernaud an?“ fragte der Kommandant nun. Niemand meldete sich. „Wer schließt sich meiner Variante an?“ Der Testpilot, der Arzt und Pollux hoben den Arm. „Gut. Dann werden wir unsere weiteren Untersuchungen darauf ausrichten, meine Variante zu bestätigen oder zu widerlegen. Vorher aber bleibt uns noch eins zu überlegen.“ Er sah die anderen fest an. „Wir müssen einen Entschluß fassen, zu dem wir als Untersuchungskommission berechtigt und verpflichtet sind, der aber trotzdem schwer zu fassen ist. Ich stimme mit Genossen Bernaud in dem Punkte überein, daß ein Reaktor eine exakt arbeitende Maschine ist. Eine solche Maschine ändert ihren Zustand nicht ohne Einwirkung von außen. Die uns unbekannten Ursachen liegen also außerhalb des Reaktors, höchstwahrscheinlich außerhalb des Raumschiffs. Dann aber können sie bei jedem Reaktor die gleiche Wirkung hervorbringen. Das heißt also, wir müssen uns entschließen, bei der Weltraumbehörde ein vorläufiges Startverbot für alle reaktorgetriebenen Raumschiffe zu beantragen.“ Er schwieg. Dann fragte er hart: „Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Keine.“ Er drückte eine Taste und sprach ins Mikrophon: „Stellen Sie eine Verbindung her mit dem Chef der Weltraumbehörde. Katastrophen-Dringlichkeit.“
    Sie teilten die Arbeit auf. Alle Teile der FR 17 wurden unter dem Gesichtspunkt besprochen, wie sich an ihnen die Hypothese des Kommandanten beweisen oder widerlegen ließ. Als sie mit ihrer Arbeitsplanung fast fertig waren, glimmte auf dem Tisch vor dem Kommandanten ein rotes Lämpchen auf. Der Kommandant drückte eine Taste. „Doktor, Doktor, kommen Sie schnell!“ Es war die Stimme der Schwester. „Der Patient …“
    „Was ist? Bewegt er sich?“
    „Sein Gesicht verkrampft sich …, er röchelt …“
    Tom Harrar stürzte hinaus. Pollux saß noch einen Moment wie erstarrt da, dann sprang er auf und lief dem Arzt nach.
    Der Arzt warf einen Blick in das Gesicht des Bewußtlosen und rief: „Fesseln! Schnell!“ Aber in diesem Moment bäumte der Kopilot sich auf, sein Körper wölbte sich wie ein straff gespannter Bogen nach oben, und ein zischendes, glucksendes Geräusch drang aus seinem Mund. Der Arzt sprang ans Kopfende, schrie Pollux zu: „Die Beine!“ und warf sich über den Oberkörper des Patienten. Pollux war mit zwei großen Schritten am Fußende. Dort traf ihn der Fuß des Tobenden ins Gesicht. Pollux spürte einen betäubenden Schmerz in der Nase, warf sich jedoch über die Beine seines Freundes.
    Man weiß ja, daß Tobende eine fast übermenschliche Kraft entwickeln, so daß es auch unter irdischen Umständen zwei Männern schwergefallen wäre, den kräftigen Piloten zu bändigen. Auf dem Mond jedoch, wo alles nur ein Sechstel seines irdischen Gewichts hat, wog auch jeder der beiden Männer nur etwa fünfzehn Kilopond — für die entfesselten Kräfte des Kranken Spielbälle! Dem Arzt war es gelungen, sich mit den Beinen an den Füßen des Krankenbettes festzuklammern, und indem er geschickt die Ruhepunkte in den Schwingungen des von Krämpfen geschüttelten Körpers abpaßte, gelang es ihm bald, die Schulterpartie des Kranken sicher in den Griff zu bekommen. Pollux jedoch wurde auf und nieder geworfen, schlug mit dem Kopf gegen die Wand, mit den Füßen gegen die Bettkante — für einen Beobachter, der diesem Kampf zugesehen hätte, ein Bild von einer grauenhaften Komik. Aber die Schwester sah nicht zu. Sie schnallte einen breiten Gurt über die Brust des Tobenden, fesselte die Handgelenke und befreite dadurch den Arzt aus seiner Lage, der nun wiederum Pollux zu Hilfe kam. Schließlich waren alle Glieder des Patienten, der sich immer noch von Zeit zu Zeit aufbäumte, gesichert.
    Tom Harrar und die Schwester hantierten mit Apparaten und Instrumenten, zielbewußt, sicher, mit wenigen Worten sich verständigend.
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