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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron
Autoren: Giovanni Boccacio
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er saß, warf sich, ohne an ihre Kleider oder an etwas von dem, was auf dem Tisch stand, zu denken, darüber hin, so weit sie konnte, schloß ihn fest in ihre Arme und war durch nichts, was die Anwesenden sagten oder taten, zu bewegen, seinen Hals wieder freizugeben, bis Herr Torello selbst ihr zuredete, sich ein wenig zu mäßigen, da ihr ja noch Zeit genug bliebe, ihn zu umarmen.
    Nun erst richtete sie sich wieder auf. Herr Torello aber bat, da die Hochzeit doch einmal gestört, durch die Wiederkehr eines solchen Ritters indes auch wieder fröhlicher denn je geworden war, alle um schweigendes Gehör. Dann erzählte er ihnen, was ihm vom Tag seiner Abreise bis zu diesem Augenblick begegnet war, und schloß damit, daß es dem edlen Manne, der seine Frau zur Gattin erwählt habe, weil er ihn tot geglaubt, nicht mißfallen dürfe, wenn er, da er ja noch lebe, sie wieder zu sich nähme. Wenngleich nun die Sache für den Bräutigam etwas peinlich war, so erwiderte er doch aus freien Stücken und in Freundschaft, daß Herr Torello mit dem, was ihm gehöre, tun könne, wie es ihm gefalle. Die Braut ließ Ring und Brautkrone, die sie vom Bräutigam empfangen hatte, zurück, steckte dagegen den Ring an, den sie aus dem Becher genommen, und setzte gleichfalls das Diadem auf, das der Sultan ihr geschickt hatte. So verließen sie das Haus, in welchem sie sich befanden, und zogen mit dem ganzen Hochzeitsgefolge zu Herrn Torellos Haus.
    Hier erheiterten sie die trostlosen Freunde, Verwandten und alle Bürger, die ihn fast wie ein Wunder anstaunten, durch ein langes und fröhliches Festgelage. Herr Torello schenkte einen Teil seiner wertvollen Juwelen dem, der die Kosten der Hochzeit bestritten hatte, andere gab er dem Abt und vielen anderen. Dem Saladin aber verkündete er durch mehr als einen Boten seine glückliche Heimkehr, betrachtete sich stets als dessen Freund und Diener und lebte nachher noch viele Jahre mit seiner trefflichen Gemahlin, nur noch höflicher und freigebiger als zuvor.
    Dies war das Ende der Abenteuer des Herrn Torello, der Leiden seiner geliebten Dame und der Lohn ihrer heiteren und bereitwilligen Gastfreundschaft. Eine solche nachzuahmen bemühen sich zwar viele; allein sie verstehen sich so schlecht darauf, daß sie sich diese, obwohl sie die Mittel dazu besitzen, erst weit über dem Preis abkaufen lassen, ehe sie sie gewähren. Wenn ihnen also kein Lohn zuteil wird, so dürfen weder sie noch andere sich darüber wundern.
     

Zehnte Geschichte
     
     
    Der Markgraf von Saluzzo wird durch die Bitten seiner Leute genötigt, eine Frau zu nehmen. Um sie aber nach seinem Sinne zu haben, wählt er die Tochter eines Bauern und zeugt mit ihr zwei Kinder. Er macht sie glauben, daß er diese getötet habe, und sagt ihr dann, er sei ihrer überdrüssig und habe eine andere geheiratet. Zum Schein läßt er seine eigene Tochter nach Hause zurückkehren, als wäre diese seine Gemahlin, und verjagt jene im bloßen Hemde. Da er sie bei dem allem geduldig findet, nimmt er sie zärtlicher denn je wieder in sein Haus, zeigt ihr ihre erwachsenen Kinder, ehrt sie und läßt sie als Markgräfin ehren.
     
    Als die lange Geschichte des Königs, die dem Anschein nach allen gefallen hatte, zu Ende war, sprach Dioneo lächelnd: »Der gute Mann, der vorgehabt hat, in der kommenden Nacht den gehobenen Schweif des Gespenstes zu demütigen, hätte wohl keine zwei Heller für all das Lob gegeben, das ihr Herrn Torello spendet.« Dann aber, da ihm bewußt war, daß nur er noch zu erzählen hatte, begann er:
    Meine gefälligen Damen, wie es mir scheint, hat der heutige Tag nur Königen, Sultanen und dergleichen Leuten gehört. Um mich also nicht allzu weit von euch zu entfernen, will ich euch von einem Markgrafen erzählen; doch nicht eine großmütige Handlung, sondern eine törichte Roheit, wiewohl sie am Ende ihm zum Guten ausschlug. Indes rate ich niemandem, ihm darin zu folgen; denn wahrlich, es ist sehr zu bedauern, daß ihm Gutes daraus erwuchs.
    Schon lange ist es her, daß unter den Markgrafen von Saluzzo das Haupt des Hauses ein junger Mann war, der Gualtieri hieß und unbeweibt und kinderlos seine Zeit mit nichts anderem verbrachte als mit der Jagd und dem Vogelstellen und nicht daran dachte, eine Frau zu nehmen und Kinder zu haben, weshalb er für sehr weise zu halten war. Seinen Leuten gefiel dies jedoch keineswegs, und öfters baten sie ihn, sich zu vermählen, damit nicht er ohne Erben und sie ohne Herrn blieben. Auch
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