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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron
Autoren: Giovanni Boccacio
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darauf schickte er jedoch, nachdem er mit ganz allgemeinen Worten seiner Frau mitgeteilt hatte, seine Untertanen wollten die von ihr geborene Tochter nicht dulden, einen insgeheim unterwiesenen Diener zu ihr, der mit gar betrübten Gebärden zu ihr sagte: »Madonna, wenn ich nicht sterben will, muß ich tun, was mein Herr mir geboten hat. Er hat mir befohlen, diese Eure Tochter zu nehmen und sie ...« und mehr sagte er nicht. Als die Dame diese Worte vernahm, das Antlitz des Dieners sah und zugleich sich der Worte ihres Gemahls erinnerte, erriet sie, daß jenem befohlen sei, ihr Kind zu töten. Rasch nahm sie es daher aus der Wiege, küßte und segnete es, und so groß auch der Schmerz war, den sie im Herzen fühlte, so legte sie dennoch, ohne die Miene zu verändern, dem Diener das Kind in den Arm und sprach: »Nimm sie hin und tue alles, was dein und mein Herr dir geboten hat. Nur dafür trage Sorge, wenn er dir nicht ausdrücklich das Gegenteil befohlen hat, daß nicht Tiere oder Raubvögel sie verschlingen.« Der Diener nahm das Kind, und als er Herrn Gualtieri berichtete, was seine Gattin gesagt hatte, staunte dieser über ihre Standhaftigkeit und schickte den Diener mit der Kleinen nach Bologna zu einer Dame seiner Verwandtschaft, welche er bat, sie sorgfältig zu erziehen und auszubilden, ohne ihr jedoch je zu entdecken, wessen Tochter sie sei.
    Nach einiger Zeit geschah es, daß die Frau von neuem schwanger wurde und zur rechten Zeit ein Söhnlein gebar, was Herrn Gualtieri sehr erwünscht war. Da ihm aber, was er getan hatte, immer noch nicht genug dünkte, sprach er eines Tages, um sie mit noch größerem Schmerz zu verwunden, zornigen Angesichts zu ihr: »Frau, seitdem du diesen Knaben geboren hast, weiß ich mit meinen Leuten auf keine Art mehr auszukommen, so bitter beschweren sie sich darüber, daß ein Enkel des Giannucole nach mir über sie regieren solle. Daher fürchte ich, wenn ich nicht vertrieben werden will, gezwungen zu sein, wieder ähnlich zu handeln wie früher, und schließlich werde ich noch dich wegschicken und eine andere Frau nehmen müssen.«
    Die Dame hörte ihn mit geduldigem Mute an und antwortete nur: »Mein Gebieter, sorge nur, deine Ruhe zu gewinnen und deinem Wunsche zu genügen. Meinetwegen aber mache dir keinerlei Gedanken, denn alles ist mir lieb, wenn ich sehe, daß es dir gefällt.« Wenige Tage darauf sandte Gualtieri in derselben Art, wie er nach der Tochter verlangt hatte, nach dem Sohn, und auf die gleiche Weise machte er sie glauben, daß er ihn getötet habe, während er ihn, wie die Tochter, heimlich nach Bologna schickte, um ihn dort aufziehen zu lassen. Auch bei diesem Anlaß verriet die Frau weder in Worten noch in Gebärden mehr von ihrem Schmerz, als sie bei ihrer Tochter getan hatte, worüber Gualtieri sehr erstaunte und bei sich selbst beteuerte, kein anderes Weib vermöge Gleiches zu leisten. Hätte er nicht gesehen, wie zärtlich sie gegen ihre Kinder gewesen war, solange ihm dies gefiel, so hätte er geglaubt, sie handele so, weil sie sich nichts aus ihnen mache, während er jetzt in ihrem Benehmen ihre Weisheit erkannte.
    Seine Untertanen glaubten, er habe die Kinder wirklich töten lassen, und tadelten ihn deshalb bitter. Wenn sie ihn aber für einen grausamen Mann hielten, so hatten sie mit der Frau das größte Mitleid. Diese jedoch erwiderte den Frauen, die vor ihr über ihre so getöteten Kinder wehklagten, immer nur: sie sei mit allem zufrieden, was dem gefalle, der die Kinder gezeugt habe.
    Manche Jahre waren seit der Geburt der Tochter verstrichen, als es Herrn Gualtieri an der Zeit schien, die Geduld seiner Gattin einer letzten Probe zu unterwerfen. Er äußerte daher vor vielen der Seinigen, daß er es auf keine Weise mehr ertragen könne, die Griselda zur Frau zu haben und jetzt wohl einsehe, wie übel und jugendlich unbedacht er gehandelt habe, als er sie genommen. Daher wolle er nach Kräften versuchen, beim Papst eine Dispens zu erwirken, um eine andere Gattin wählen und Griselda verlassen zu können. Von gar vielen wackeren Männern wurde er deshalb hart getadelt; allein er antwortete ihnen nur, daß es einmal so sein müsse. Als die Frau diese Nachrichten vernahm, machte sie sich darauf gefaßt, in ihr väterliches Haus zurückkehren und vielleicht, wie sie einst getan, die Schafe hüten zu müssen, dabei aber eine andere den besitzen zu sehen, den sie von ganzer Seele liebte. Wie sehr sie sich aber auch innerlich darüber betrübte, so
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