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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron
Autoren: Giovanni Boccacio
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tadeln wären. Vielmehr schien alles, was ich sah und hörte, mir nur von stetem Anstande, steter Eintracht und brüderlicher Vertraulichkeit zu zeugen. Ohne Zweifel ist mir dies um eurer und meiner Ehre und um unseres gemeinsamen Vorteils willen gar lieb. Damit aber nicht etwa durch die lange Vertraulichkeit entstehe, was zu Verdruß ausschlagen könnte, und niemand Grund habe, unser langes Verweilen zu bekritteln, so wäre ich der Meinung, daß es, so es euch genehm, nun angemessen sei, wieder dahin zurückzukehren, von wo wir geschieden sind, da doch ein jeder an seinem Tag an der Ehre, die noch bei mir ruht, seinen Anteil gehabt.
    Überdies könnte, wenn ihr alles wohl erwägt, unsere Gesellschaft, von der schon mehrere andere Gruppen hier in der Gegend Kunde erhalten, sich leicht auf eine solche Weise vermehren, daß wir alle unsere Freude daran verlören. Billigt ihr daher meinen Rat, so will ich die mir überlieferte Krone bis zu unserer Abreise, die, wie ich denke, morgen früh sein soll, aufbewahren. Beschließt ihr aber anders, so habe ich schon jemanden im Sinne, den ich für den folgenden Tag krönen möchte.«
    Lange währte hierüber das Gespräch der Damen und der jungen Männer. Endlich aber erkannten sie den Vorschlag des Königs für nützlich und angemessen und beschlossen, so zu tun, wie er gesagt hatte. Er ließ daher den Seneschall rufen, um mit ihm über die Anstalten für den folgenden Morgen zu sprechen, entließ die Gesellschaft bis zur Essensstunde und stand auf. Die Damen und die anderen beiden jungen Männer erhoben sich gleichfalls, und nicht anders, als sie es gewohnt waren, überließ sich der eine diesem, der andere jenem Vergnügen.
    Als die Stunde des Mahls gekommen war, versammelten sie sich mit großer Lust dazu. Danach begannen sie wieder mit Gesang und Spiel und Ringeltanz, und während Lauretta den Reigen anführte, befahl der König der Fiammetta, ein Lied zu singen. Diese sang also:
     
    Wenn Eifersucht sich von der Liebe Wesen
    Lostrennen ließe, dann
    Wäre nie ein Weib so froh wie ich gewesen.
     
    Wenn heitre Jugendblüte
    Des schönen Liebsten die Geliebte freut,
    Wenn unbefleckte Ehre, wenn Tapferkeit und Güte,
    Wenn edle Sitte, Geist, Beredsamkeit,
    So weiß ich, keine wäre
    Mir gleich an Glück, weil ihn, den ich verehre
    Und der mich liebgewann,
    Zum Wohnsitz jede Tugend hat erlesen.
     
    Doch muß ich mir ja sagen,
    Daß andre Fraun nicht blinder sind als ich,
    Und zittre drum vor Bangen.
    Was sollten sie's nicht wagen,
    Für den in Liebe zu entflammen sich,
    Der mir mein Herz gefangen?
    Drum, was beglückt mein liebendes Verlangen,
    Hält mich zugleich im Bann
    Und läßt mich nicht von meiner Furcht genesen.
     
    Nie wär ich eifersüchtig,
    Hätt ich so fest wie meine Liebe heiß
    Zu meinem Herrn Vertrauen.
    Doch Männer lieben flüchtig
    Und folgen jeder, die zu locken weiß;
    Drum mag ich keinem trauen.
    Angst überfällt mich und ein tödlich Grauen,
    Blickt eine ihn nur an;
    Gleich fürcht ich, zündend sei der Blick gewesen.
     
    So fleh ich denn, daß keine
    Durch solchen Eingriff ihr Gewissen sich
    Erdreiste zu belasten.
    Doch unternimmt es eine,
    Durch Schmeichelein, Wink' oder Worte mich In diesem anzutasten,
    Und ich erfahr es, nimmer will ich rasten,
    Bis Mittel ich ersann,
    Daß bitter sie bereut solch töricht Wesen.
     
    Als Fiammetta ihren Gesang beendet hatte, sprach Dioneo, welcher neben ihr stand, lächelnd: »Madonna, Ihr würdet die Damen sehr zu Dank verpflichten, wenn Ihr - da Ihr Euch deshalb so sehr erzürnen wollt - allen seinen Namen anvertrautet, damit Euch nicht etwa eine unwissentlich Euren Besitz nähme.«
    Hiernach sang man noch andere Lieder, und als die Nacht schon mehr als zur Hälfte verstrichen war, begaben sich alle zur Ruhe, wie es dem König gefiel.
    Sobald der neue Tag erschien, erhoben sie sich, während der Seneschall ihr Gepäck bereits vorausgeschickt hatte, und kehrten unter der Führung des verständigen Königs nach Florenz zurück. Hier verließen die drei jungen Männer die sieben Damen in Santa Maria Novella, von wo sie mit ihnen aufgebrochen waren, nahmen von ihnen Abschied und gingen, wohin es ihnen gefiel. Die Damen aber kehrten, als es ihnen an der Zeit schien, in ihre Wohnung zurück.
     
     
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