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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron
Autoren: Giovanni Boccacio
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schickte sie sich doch an, so wie sie die anderen Kränkungen des Schicksals ertragen hatte, nun auch diese mit fester Stirne zu bestehen.
    Nicht lange darauf ließ Herr Gualtieri sich erdichtete Briefe einhändigen, als wären sie von Rom gekommen, und machte seine Untertanen glauben, der Papst habe ihm durch diese Dispens erteilt, daß er eine andere Frau nehmen und Griselda verstoßen könne. Deshalb ließ er denn diese vor sich kommen und sprach in Gegenwart vieler zu ihr: »Frau, durch die Erlaubnis des Papstes kann ich mir eine andere Gemahlin nehmen und dich verlassen, und weil meine Vorfahren Herren von hohem Adel und Gebieter dieses Landes gewesen sind, während die deinen nur Bauern waren, so will ich, daß du nicht länger meine Gattin seiest, sondern mit der Mitgift, die du mir zugebracht hast, nach Giannucoles Haus zurückkehrst. Ich aber werde eine andere heimführen, die ich als zu mir passend gefunden habe.«
    Als die Frau diese Worte vernahm, hielt sie nicht ohne große, die weibliche Natur übersteigende Kraft und Anstrengung ihre Tränen zurück und erwiderte: »Mein Gebieter, ich habe immer erkannt, daß meine geringe Geburt sich zu Euerem Adel in keiner Weise fügen will, und was ich im Verhältnis zu Euch gewesen bin, das habe ich immer als Eure und Gottes Gabe betrachtet, niemals aber für ein Geschenk angesehen und mir zugeeignet, sondern es stets nur als geliehen betrachtet. Es gefällt Euch nun, es zurückzufordern, und mir muß es gefallen und gefällt es, Euch dasselbe zurückzugeben. Hier ist Euer Ring, mit dem Ihr mich gefreit; nehmt ihn zurück. Ihr befehlt mir, daß ich die Mitgift mit mir nehme, die ich Euch zugebracht. Dazu werdet Ihr weder eines Zahlmeisters noch einer Börse oder eines Saumrosses bedürfen; denn es ist mir nicht entfallen, daß Ihr mich nackt erhalten habt. Und wenn es Euch geziemend dünkt, daß dieser Leib, in dem ich von Euch erzeugte Kinder getragen habe, von jedermann gesehen werde, so will ich nackend wieder Fortgehen. Doch bitte ich Euch zum Lohn für meine Jungfräulichkeit, die ich Euch zubrachte und die ich nicht mit hinwegnehme, daß es Euch gefalle, mir wenigstens ein einziges Hemd über meine Mitgift hinaus zu gönnen.«
    Gualtieri, dem der Sinn mehr nach dem Weinen stand als nach sonst etwas, beharrte in strenger Gebärde und sprach: »So nimm denn ein Hemd mit.«
    Alle, die umherstanden, baten ihn, daß er ihr wenigstens ein Kleid schenken möge, damit man diejenige, die dreizehn Jahre und länger seine Gemahlin gewesen, nicht so armselig und schmählich aus dem Hause scheiden sehe, wie es wäre, wenn sie im Hemd ginge. Allein die Bitten waren umsonst, und so verließ die edle Frau im Hemde, barfuß und barhäuptig, nachdem sie alle Gott empfohlen hatte, sein Haus und kehrte unter den Tränen aller, die sie sahen, zu ihrem Vater zurück. Giannucole aber, der es nie hatte glauben wollen, daß Gualtieri in Wahrheit seine Tochter als Frau behalten wolle, und der diesem Fall täglich entgegensah, hatte ihre alten Kleider aufgehoben, wie sie an dem Morgen, da Gualtieri sich mit ihr verlobte, sie abgelegt hatte. Diese brachte er ihr, und sie legte sie wieder an, übernahm aufs neue die kleinen Dienstleistungen im väterlichen Hause, die sie einst zu tun gewohnt war, und ertrug den furchtbaren Schlag des feindlichen Geschicks mit starker Seele.
    Nachdem Gualtieri so getan hatte, gab er seinen Leuten gegenüber vor, er habe die Tochter eines Grafen von Panago zur Braut erwählt, und schickte, während er großartige Vorbereitungen zur Hochzeit traf, nach Griselda, daß sie zu ihm komme. Als sie kam, sprach er zu ihr: »Ich stehe im Begriff, die Braut heimzuführen, die ich neuerdings erwählt habe, und gedenke sie bei ihrer Ankunft zu ehren. Nun weißt du, daß ich im Hause keine Frauen habe, welche die Zimmer auszuschmücken und vieles andere so zu besorgen verständen, wie es sich für ein solches Fest ziemt. Du kennst diese häuslichen Angelegenheiten besser als sonstwer. Bringe du also alles in Ordnung, was hier nötig ist, und lasse die Damen dazu einladen, die du meinst, und empfange sie dann, als wärest du die Frau vom Hause. Nachher, wenn die Hochzeit vorüber ist, kannst du dann wieder heimgehen.«
    Wiewohl jedes dieser Worte ein Messerstich für Griseldas Herz war, da sie der Liebe, die sie für ihn hegte, nicht ebenso wie dem Glücke hatte entsagen können, so antwortete sie doch: »Mein Gebieter, ich bin willig und bereit.«
    Und so kehrte sie
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