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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron
Autoren: Giovanni Boccacio
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denn? Ich bin durch Gottes Gnade lebendig und von jenseits des Meeres hierher zurückgekehrt.«
    Obwohl nun Herr Torello einen langen Bart trug und mit einem arabischen Gewände bekleidet war, erkannte nach einiger Zeit der Abt ihn doch wieder und nahm ihn, nachdem er sich völlig beruhigt hatte, mit den Worten bei der Hand: »Mein Sohn, sei uns herzlich willkommen.«
    Dann aber fuhr er fort: »Du darfst dich über unsere Furcht nicht wundern; denn in dieser Stadt gibt es niemanden, der dich nicht zuverlässig für tot hält, so daß ich dir sagen muß, daß Madonna Adalieta, deine Gattin, von den Bitten und Drohungen ihrer Verwandten überwältigt, gegen ihren Willen wieder vermählt ist. Noch diesen Morgen soll sie zu ihrem neuen Gemahl ziehen, und die Hochzeit und alles, was zum Feste gehört, ist bereitet.«
    Herr Torello erhob sich nun von seinem reichen Bett und bat den Abt und die Mönche, nachdem er sie herzlich begrüßt hatte, von seiner Wiederkehr niemand etwas zu sagen, bis er mit einer notwendigen Sache zu Ende gekommen sei. Dann ließ er die reichen Geschmeide in Sicherheit bringen und erzählte dem Abt, was ihm bis zu diesem Augenblick begegnet war. Froh über diese Glücksfälle dankte der Abt gemeinsam mit ihm Gott, worauf Herr Torello jenen fragte, wer der neue Gemahl seiner Gattin sei. Der Abt sagte es ihm, und Herr Torello erwiderte: »Ehe man von meiner Rückkehr etwas erfährt, möchte ich sehen, wie meine Frau sich bei dieser Hochzeit betragen wird. Deshalb bitte ich Euch denn, wenn es auch sonst nicht üblich ist, daß Geistliche zu solchen Gastmählern gehen, es mir zuliebe so einzurichten, daß wir zusammen hingehen.«
    Der Abt erwiderte, er wolle das gern tun, und schickte, sowie es Tag geworden war, zu dem Bräutigam, dem er sagen ließ, daß er mit einem Gefährten zu seiner Hochzeit zu kommen wünsche. Der Edelmann antwortete, dies sei ihm sehr angenehm. Als nun die Essensstunde kam, ging Herr Torello, gekleidet wie er war, mit dem Abt zum Hause des Bräutigams, von jedem, der ihn erblickte, mit Erstaunen angesehen, doch von niemand erkannt. Der Abt aber sagte allen, er sei ein Sarazene, welchen der Sultan als Gesandten zum König von Frankreich schicke. So wurde denn Herr Torello an einen der Tische gerade seiner Gattin gegenübergesetzt, die er mit der größten Freude betrachtete und deren Züge ihm Betrübnis über diese Hochzeit auszudrücken schienen. Auch sie blickte ihn einige Male an, jedoch keineswegs weil sie ihn wiedererkannt hätte; denn der lange Bart, das fremde Gewand und der feste Glaube, in dem sie lebte, daß er tot sei, hinderten sie daran.
    Als es aber Herrn Torello an der Zeit schien, sie zu prüfen, ob sie sich seiner noch erinnere, nahm er den Ring in die Hand, den seine Frau ihm zum Abschied geschenkt hatte, ließ den Edelknaben, der ihr bei Tische aufwartete, herbeirufen und sagte zu ihm: »Bestelle der Braut von mir, in meiner Heimat sei es üblich, daß eine Braut, wie sie es ist, einem Fremden, wie ich es hier bin, der am Mahle teilnimmt, zum Zeichen, daß seine Gegenwart beim Fest ihr lieb sei, ihm den Becher, aus dem sie trinkt, voller Wein sendet. Darauf trinkt der Fremde davon, soviel ihm gefällt, deckt den Becher wieder zu, und die Braut trinkt den Rest.« Der Knabe richtete diese Bestellung bei seiner Gebieterin aus, und da sie jenen für irgendeinen großen Herrn hielt, befahl sie, um ihm zu zeigen, daß sein Kommen ihr wert sei, als eine kluge und wohlgesittete Dame, daß ein großer vergoldeter Becher, der vor ihr stand, ausgespült, mit Wein gefüllt und dem edlen Manne gebracht werde. Und so geschah es.
    Indessen hatte Herr Torello den Ring, den er von ihr besaß, in den Mund genommen und ließ ihn, ohne daß jemand es bemerkte, in den Becher niederfallen, während er trank. Dann aber deckte er diesen, in dem er nur ein wenig Wein gelassen hatte, wieder zu und sandte ihn der Dame zurück. Diese nahm ihn, um jene Sitte zu erfüllen, deckte ihn auf, setzte ihn an den Mund, erblickte nun den Ring und betrachtete ihn, ohne ein Wort zu sagen, eine Weile. Endlich erkannte sie ihn bestimmt als denselben, den sie Herrn Torello bei seinem Abschied geschenkt hatte, ergriff ihn und blickte den vermeintlichen Fremdling scharf an. Und als sie ihn nun erkannte, stürzte sie, wie von plötzlichem Wahnsinn gepackt, den Tisch vor sich um und rief laut: »Er ist es, es ist mein Herr; wahrhaftig, dies ist Herr Torello!« Und damit lief sie zu dem Tisch, an welchem
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