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Das Dekameron

Das Dekameron

Titel: Das Dekameron
Autoren: Giovanni Boccacio
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Gewünschte tun.«
    Herr Torello konnte seine Tränen nicht zurückhalten und antwortete daher, von diesen gehindert, nur mit wenigen Worten, es sei unmöglich, daß er je seine Wohltaten vergessen oder seine Trefflichkeit ihm aus dem Gedächtnis schwinden könnte und daß er unfehlbar tun werde, was jener ihm geboten, wenn anders ihm eine so lange Lebenszeit gewährt würde. Hierauf umarmte Saladin ihn zärtlich, küßte ihn und sprach mit vielen Tränen: »So geht denn mit Gott!« Dann verließ er das Gemach, und die ändern Großen verabschiedeten sich von ihm und traten mit Saladin in den Saal, wo er das Bett hatte bereiten lassen.
    Hierüber war es spät geworden, und da der Nekromant zur Ausführung seines Zaubers bereit war und drängte, erschien ein Arzt mit einem Trank, den er dem Herrn Torello unter dem Yorgeben, daß er ihm zur Stärkung dienen solle, reichte und von ihm austrinken ließ. Nicht lange darauf verfiel er in tiefen Schlaf. So schlummernd wurde er nach Saladins Befehl auf das schöne Bett getragen, auf das er selbst noch ein großes und schönes Diadem von hohem Wert legte, welches so bezeichnet war, daß man nachher deutlich erkennen mußte, es sei von Saladin der Gemahlin des Herrn Torello übersandt. Hierauf steckte der Sultan Herrn Torello einen Ring an den Finger, darin ein Karfunkel gefaßt war, so glänzend, daß er einer brennenden Fackel glich und man seinen Wert kaum zu schätzen vermochte. Dann ließ er ihm ein Schwert umgürten, dessen Preis schwer zu bestimmen gewesen wäre, und ließ ihm eine Spange anheften, die mit Perlen, wie man sie nie gesehen hatte, und mit vielen ändern kostbaren Steinen besetzt war. Endlich wurden auf seinen Befehl zu beiden Seiten des Schlafenden zwei große goldene Becken voller Doublonen hingestellt und um ihn her viele Haarnetze von Perlen, Ringe, Gürtel und andere Dinge, welche hier aufzuzählen zu lange dauerte. Nachdem dies alles besorgt war, küßte er Herrn Torello von neuem und befahl dem Nekromanten, daß er sich beeile. Sogleich erhob sich nun in Saladins Gegenwart das Bett mit Herrn Torello und verschwand, Saladin aber blieb mit seinen Vasallen unter Gesprächen über ihn zurück.
    Schon war Herr Torello, wie er begehrt hatte, in der Kirche von San Pietro in Ciel d'Oro zu Pavia mit allen erwähnten Edelsteinen und Geschmeiden, immer noch schlafend, niedergesetzt worden, als nach dem Morgengeläute der Sakristan mit einem Licht in der Hand in die Kirche trat und, sowie er das reiche Bett zufällig erblickte, nicht allein darüber erstaunte, sondern vor übergroßer Furcht eilig umkehrte und floh. Als der Abt und die übrigen Mönche ihn so fliehen sahen, wunderten sie sich und fragten nach der Ursache. Der Mönch sagte sie. »Fürwahr«, rief der Abt, »du bist doch nachgerade kein Kind mehr und auch nicht so neu in dieser Kirche, daß du so leicht erschrecken solltest! So wollen wir denn gehen und nachsehen, was ihm so bange gemacht hat.«
    Nachdem sie nun mehr Lichter angezündet hatten, trat der Abt mit allen seinen Mönchen in die Kirche, und sie erblickten dies so wundersame und reiche Bett und auf ihm den schlafenden Ritter. Während sie aber furchtsam und schüchtern die edlen Geschmeide betrachteten, ohne sich dem Bett im geringsten zu nähern, geschah es, daß die Kraft des Tranks sich erschöpft hatte, Herr Torello erwachte und einen tiefen Seufzer ausstieß. Als die Mönche dies sahen und der Abt mit ihnen, ergriffen sie erschreckt die Flucht und schrien: »Herr, stehe uns bei.« Herr Torello aber öffnete die Augen, schaute sich um und erkannte deutlich, daß er sich da befand, wo hingebracht zu werden er von Saladin begehrt hatte. Sehr zufrieden hierüber setzte er sich auf und betrachtete einzeln, was er um sich her sah. Obwohl er die Großmut Saladins schon vorher gekannt hatte, schien ihm diese jetzt noch größer, und er erkannte sie in ihrem ganzen Ausmaß.
    Da er die Mönche fliehen sah und die Ursache erriet, begann er, ohne seine Stellung zu wechseln, den Abt beim Namen zu rufen und ihn zu beschwören, daß er nichts fürchten möchte, da er Torello, sein Neffe sei. Als der Abt dies vernahm, wurde er nur noch furchtsamer, weil er meinte, Torello sei vor mehreren Monaten gestorben. Nach einiger Zeit ließ er sich jedoch durch reiflichere Erwägung einigermaßen beruhigen, machte, da jener ihn noch immer rief, das Zeichen des heiligen Kreuzes und ging zu ihm. »Oh, mein Vater«, rief Herr Torello, »was fürchtet Ihr Euch
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