Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vaters Befehl oder Ein deutsches Mädel

Vaters Befehl oder Ein deutsches Mädel

Titel: Vaters Befehl oder Ein deutsches Mädel
Autoren: Elisabeth Zöller
Vom Netzwerk:
1. Der Geheimbriefkasten
    Ja, die Unterschrift ist von ihm!
Adolf Hitler, im August
1941
. Der Führer persönlich! Ich hab jetzt noch Herzklopfen. Wie alle zugeschaut haben – mit glänzenden Augen! Das muss ich unbedingt Mathilda zeigen. Und natürlich meinen Eltern und Hans, einfach allen! Ich umfahre die von Bomben zerstörte Hörsterstraße, erreiche endlich unser Haus in der Sonnenstraße und stelle mein Fahrrad an die Hauswand.
    Meine Mutter reißt die Haustür auf, und mein Vater steht lächelnd hinter ihr im Türrahmen.
    »Erzähl, Paula!«, bestürmt Mama mich gleich. »Wie war es? Wir sind so stolz auf dich, mein Kind.«
    Der Nachmittag war so aufregend! Wo soll ich bloß anfangen?
    Die holzvertäfelte Aula der Annette-Schule war heute ganz besonders feierlich geschmückt. An der Stirnseite hingen zwei entrollte Hakenkreuzfahnen von der verzierten Stuckdecke bis zum Boden. Das Rednerpodest schmückte ein mit Blumen umkränzter Reichsadler,und um Türen und Fenster wanden sich Efeugirlanden. Die Aula ist auch die Turnhalle der Schule. Immer liegt ein leicht süßlicher Schweißgeruch in der Luft. Dann sind die Mädelschaften * einmarschiert, alle in blauen Röcken und weißen Blusen, die schwarzen Halstücher ordentlich geknotet. Wie wir gestrahlt haben!
    »Nun erzähl doch endlich!« Meine Mutter lässt nicht locker und reißt mich aus meinen Gedanken.
    »Festlich war es, Mama. Wir haben uns so zusammengehörig gefühlt, und ich war stolz, dabei zu sein. Wie mit einer Stimme haben wir
Die Fahne hoch
gesungen, und der absolute Höhepunkt war, dass die Obergauführerin * eine Rede gehalten und mich zur Schaftführerin * ernannt hat.« Ich schaue erst Mutter, dann Vater an und lasse meine Worte wirken. »Sie sagte, der Führer brauche Mädchen wie mich, die ihm treu und zuverlässig folgen.«
    Mama hat ganz leuchtende Augen, so sehr freut sie sich für mich.
    Ich berichte mit klopfendem Herzen: »Dann hat sie gesagt, dass ich wohl bald Scharführerin * werde, wenn ich so weitermache.«
    »Und das erzählst du so nebenher? Mensch, Mädchen. Unsere Prinzessin.« Mein Vater nimmt mich in den Arm und wirbelt mich lachend herum. Fast ist es so wie vor zwei oder drei Sommern, als wir ausgelassen auf den Promenadenwiesen herumtollten. Heute sind solche Momente selten geworden. Seine Arbeit beansprucht ihn stark.
    »Jetzt kommt mal rein, ihr beiden!«, ruft meine Mutter. »Zur Feier des Tages gibt es Apfelkuchen mit Schlagsahne. Ich habe so etwas ja doch geahnt. Hans wartet schon in der Küche. Hoffentlich hat er uns noch etwas Kuchen übriggelassen.«
    Der Tisch ist mit unserem Sonntagsgeschirr gedeckt. Zwiebelmuster. Das Hochzeitsgeschenk von Oma und Opa. Frisch gebrühter Bohnenkaffee dampft in den Tassen. Hans sitzt mit der Kuchengabel in der Hand auf der Eckbank.
    »Sitz gerade, Junge«, sagt Papa und streicht ihm die Haare aus der Stirn.
    Ich rutsche zu Hans auf die Eckbank. Die Tür zum Garten steht offen, und die Augustsonne lugt durch die Blätter der hohen Linde. Ich höre eine Drossel ganz laut schimpfen, so, als wolle sie sagen: Du hast noch etwas vergessen. Jetzt zeig es ihnen doch endlich.
    »Ach ja, ich habe euch ja noch nicht alles erzählt«, sage ich und greife in meinen Tornister. »Seht mal, was ich hier habe. Für alle gab es ein Buchgeschenk,
Mein Kampf
* . Aber ich bin die Einzige, die ein Exemplar mit Widmung bekommen hat.
Für Treue und Pflichterfüllung, Adolf Hitler.
Der Führer hat persönlich unterschrieben.«
    Ich halte ihnen mit glänzenden Augen das aufgeschlagene Buch hin.
    »Die Obergauführerin hat es erst mal überall herumgezeigt, damit alle es sehen konnten. Dann hat sie es mir mit feierlicher Stimme übergeben. In dem Moment hätte man eine Stecknadel fallen hören können. Allen stockte der Atem, und die anderen Mädchen haben ganz schön gestaunt. Einige hatten feuchte Augen. Das hättet ihr mal sehen sollen.«
    »Du hast
Mein Kampf
vom Führer erhalten? Von Adolf Hitler signiert? Da kann man ja auch neidisch werden.« Meine Mutter staunt nur noch, berührt es ganz vorsichtig wie etwas Zerbrechliches.
    Behutsam nehme ich das Buch zurück und streiche mit der Hand über die Buchstaben.
Für Paula Laurenz.
Kaum mag ich sie berühren.
    »Es bekommt einen Ehrenplatz in deinem Zimmer«, sagt meine Mutter.
    »Ich bin so stolz auf dich, meine Große.« Vater legt seinen Arm um meine Schulter. Voller Achtung betrachtet er das Buch mit der Widmung. »Aus dir wird noch was!«, sagt er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher