Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das brennende Gewand

Das brennende Gewand

Titel: Das brennende Gewand
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
hatten sich die Fältchen darum vertieft. Bedauerlicherweise war er nur kurze Zeit geblieben, doch hatte er ihr die freudige Kunde gebracht, dass er schon bald seiner Bande ledig sein würde. Er hatte auch nicht mehr die düstere Kutte der Benediktiner getragen, sondern eine graue, samtbesetzte Robe, wie sie von den Gelehrten bevorzugt wurde.
    Noch jetzt klopfte ihr Herz heftig, als sie an den warmen Ausdruck in seinen Augen dachte.
    Bald. Sehr bald...
    Dann aber fielen ihr ihre Pflichten wieder ein, die es noch zu erfüllen galt. Die letzten Arbeiten an der kleinen Kapelle mussten getan werden, weißer Putz aufgetragen und der Holzboden verlegt werden. Zudem sollte sie sich auch um Clara kümmern.
    Almut öffnete wieder die Augen und sah zu der golden glänzenden Gestalt ihrer Maria hin, die auf dem Tisch am Fenster stand und geduldig das langsame Erwachen ihrer Tochter beobachtete.
    »Sei mir gegrüßt, Maria, Jungfrau und Mutter, du bist der goldene Leuchter, der die helle Lampe trägt, für alle Zeit das Licht der Welt«, flüsterte Almut leise. Die weißen Blüten der Maiglöckchen vor der Statue nickten leise in der sanften Brise, die vom Fenster kam. »Gib mir Rat, weise Königin des Himmels, denn ich weiß nicht, wie ich ihre Sturheit durchbrechen kann. Sie leidet, liebreiche Jungfrau, und ich glaube, ganz schrecklich. Aber sie klagt nicht, obwohl sie sonst über jeden kleinen Harm in lautes Jammern ausbricht.« Maria schien, wie immer, aufmerksam zuzuhören, und Almut schilderte ihr vertrauensvoll, wie sie am Tag zuvor, als sie ihr Bad beendet hatte, Clara in den Zuber hatte steigen sehen. Ein Band roter, glänzender Flecken zog sich wie ein Gürtel um ihren Brustkorb. Sie hatte zwar schnell ein Leinentuch über sich geworfen, aber Almuts Blick war der entzündete Hautausschlag nicht entgangen. »Ich verstehe nicht, gnadenreiche Mutter, warum sie nicht Elsa aufsucht und sich eine lindernde Salbe geben lässt. Warum hat sie mich nur so böse angefahren, als ich sie darauf angesprochen habe? Es sieht aus, als ob sie leiden wolle.«
    Eine frühe Honigbiene brummelte durch das Fenster und setzte sich zum Ausruhen auf Mariens Schoß. Der Blick der Gottesmutter ruhte langmütig auf der kleinen Kreatur.
    »Du hast ja recht, Begnadete des Herrn, wenn sie das will, dann muss man ihr es zugestehen. Aber - Mist, Maria, ich kann sie nicht leiden sehen. Diese Entzündung muss brennen, als ob sie Feuer unter dem Gewand trüge, und ihre Lippen sind verkniffen vor Schmerz. Wenn sie nicht zu Elsa geht, dann werde ich es eben tun und mir einen Balsam für sie geben lassen. Selbst wenn ich ihn anschließend mit Gewalt auf ihre Rippen schmieren muss!«
    Mit einem zornigen Summen erhob sich die Biene und sauste wie eine vom Katapult geschossene Kugel durch die Stube.
    »Ähm - schon gut, Maria, sanfte Herrscherin. Ich werde einfach nur versuchen, sie zu überreden.«
    Die Biene flog aus dem Fenster in den Sonnenschein.
    Möglicherweise lächelte Maria, aber das konnte man bei der kunstfertig gestalteten Figur nie so genau erkennen. Denn wie immer das Licht einfiel, veränderte sich der Ausdruck auf ihrem goldenen Antlitz. Doch Almut war es zufrieden, und sie beendete ihr morgendliches Gebet: »Du bist die Blume, die Isais Stamm entsprang, bist Aarons Stab, der, ungepflanzt und ungewässert, Knospen trug. Gesegnete wollen wir dich nennen, und deinen Namen allen Generationen verkünden. Amen.«
    Nach der Messe, die die Beginen gemeinsam in St.Kunibert besuchten, klopfte Almut also an der Tür der Apothekerin Elsa an. Obwohl der Sonntag der Ruhe und Besinnung dienen sollte, werkelte diese mit ihren Arzneien herum. In dem ordentlich eingerichteten Laboratorium hingen dicke Sträuße getrockneter Kräuter von der Decke, Körbchen mit allerlei Wurzeln reihten sich auf Borden, eine Schüssel mit reinstem, weißem Schweinefett für die Salbenzubereitung war mit einem Tuch abgedeckt. Mörser in verschiedenen Größen, kupferne Tiegel und Kessel, Siebe und Trichter, ja sogar ein Alambic standen auf der Arbeitsfläche neben dem Kamin, Phiolen und Dosen, Kästchen und Büchsen enthielten fertige Elixiere, Einreibmittel, Pillen und Pülverchen.
    »Der Aufguss muss durchgeseiht werden, damit muss unser Herrgott leben«, grummelte Elsa, ohne sich umzudrehen.
    »›Die Augen des Herrn sind an allen Orten, sie schauen auf Böse und Gute‹, sagt der Weise. Und ich glaube nicht, dass er dein Tun für böse erachtet.«
    »Hach, Almut! Ich dachte,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher