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Das brennende Gewand

Das brennende Gewand

Titel: Das brennende Gewand
Autoren: Andrea Schacht
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»Du wagst es, die beste Verbindung, die einem Weib geboten werden kann, auszuschlagen? Du weigerst dich, ein solches Angebot anzunehmen? Was denn noch? Er ist jung, er ist vermögend, er ist von Stand! Was denn noch, um des Allmächtigen willen?«
    »Er liebt mich nicht.«
    Nun fuhr ihr Vater endgültig aus der Haut.
    »Liebe verlangst du, dumme Dirne? Liebe? Keine Ehe wird aus Liebe geschlossen, Kinderkram und Träumerei.«
    »Meister Conrad!«
    Der Baumeister fuhr herum.
    »Frau Almut hat recht. Ich liebe sie nicht. Aber Ihr scheint vergessen zu haben, dass Ihr zwei Töchter besitzt.« Und mit einer geschmeidigen Bewegung kniete Leon de Lambrays vor Aziza nieder, die ihre Hände in hilfloser Geste ausbreitete.
    »Wohl mir der Stunde, da ich sie erkannte,
Die mir den Leib, den Mut bezwang.
Seit ich den ganzen Sinn an sie verwandte,
Um den sie mich mit ihrer Güte bracht.
Dass ich von ihr nicht scheiden mag,
das hat die Schöne nun mit mir gemacht,
mit ihrem roten Mund, der mir so lieblich lacht.«
    »Leon, das meint Ihr nicht ernst«, hörte Almut ihre Schwester wispern.
    »Doch, mein Lieb.«
    »Ihr wisst, wer und was ich bin.«
    »Keine Maurin, aber eine kluge und mutige Frau. Doch wenn ich Euch nicht genehm bin, dann lasst es mich wissen.«
    »Schwester, lass ihn nicht so lange bangen«, bat Almut. Aziza seufzte: »Schade«, dann lächelte sie und legte mit einer entschiedenen Bewegung ihre Hände in die seinen.
    Meister Conrad wirkte vollends sprachlos, und in die Stille hinein klang die tiefe Stimme des Herrn vom Spiegel.
    »Grämt Euch nicht, Baumeister. Auch Eure andere Tochter soll wieder unter die Munt eines Mannes kommen. Es ist an der Zeit, dass sie einem Herrn gehorcht.«
    »Das wird sie nie, edler Herr. Sie ist ein widerborstiges Ding und hat einen starren Eigensinn.«
    »Ich werde mich ihrer dennoch erbarmen.«
    »Wohledler Herr, Ihr treibt Scherz mit mir.«
    Ivo vom Spiegel erhob sich und machte einen Schritt auf Almut zu. Sie sah mit einem winzigen Lächeln zu ihm auf.
    »›Der Gerechte erbarmt sich seines Viehs‹, wollt Ihr sagen, Herr?«
    »›Wer sich des Armen erbarmt, der leiht dem Herrn, und der wird ihm vergelten, was er Gutes getan hat.‹«
    Almut stand ebenfalls auf und sah ihm in die Augen. »Nun denn, wohledler Herr, dann hofft auf die Gnade Gottes.«
    Er nahm ihre Hände und wandte sich an den Baumeister.
    »Haben wir Euren Segen, Meister Conrad?«
    »Es ist... wohledler Herr, Ihr wisst nicht, was Ihr tut. Sie ist nicht leicht zu führen. Sie braucht eine harte Hand...«, stammelte er hilflos.
    »Eine genauso harte wie die, mit der Ihr sie geführt habt, Meister Conrad?«
    »Ich war nachlässig mit ihr. Ich habe...«
    »Mein Gatte, Ihr habt Eure Tochter wohl erzogen und ihr die Zuneigung nie verwehrt. Ich glaube, der Herr vom Spiegel hat gute Gründe, ihr die Ehe anzutragen.«
    Frau Barbara stand auf und ergriff den Krug, um die Pokale mit Wein zu füllen.
    »Ja, Baumeister, die habe ich. Denn die Hände Eurer Tochter sind hart, und ich werde mich willig ihrer Führung anvertrauen.«
    Baumeister Conrad Bertholf brauchte zwei ganze Pokale voll Wein, bis er sein Glück glauben konnte.

53. Kapitel
    Ivo hatte vorgehabt, mit Almut am Mittsommertag an die Brautpforte von Sankt Brigiden zu treten, und Theodoricus wollte die Einsegnung der Ehe übernehmen.
    Doch das Schicksal wollte es anders.
    Am Pfingstsonntag kam Pitter zu Meister Bertholfs Haus und bat Frau Almut, umgehend zum Alter Markt zu kommen. Der alte Herr vom Spiegel lag im Sterben und verlangte nach ihr.
    Und so eilte sie neben dem Päckelchesträger durch die Straßen, und beide wurden von Frau Nelda in das helle Zimmer geführt. Gauwin lag gestützt auf viele Polster auf seinem Lager, bleich wie Pergament, mit bläulichen Lippen. Sein Atem ging rasselnd, doch seine Augen grüßten sie. Sein Sohn saß an seiner einen Seite, Abt Theodoricus an der anderen. Das Salböl stand auf dem Tischchen, er hatte das Sterbesakrament bereits erhalten. Leon und Aziza saßen nebeneinander auf einer Bank am Fenster, Meister Krudener und Trine hielten sich in der Nähe des Bettes auf. Frau Nelda biss sich auf die Unterlippe, um ein Schluchzen zurückzuhalten, die beiden Witwen knieten am Fußende des Bettes und beteten leise.
    Ivo legte das kostbare Brevier fort, das er zurückerhalten hatte, stand auf und begrüßte Almut leise.
    »Danke, dass Ihr gekommen seid. Mein Vater wünscht, das Band zwischen uns geknüpft zu sehen, bevor er seinen
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