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Das brennende Gewand

Das brennende Gewand

Titel: Das brennende Gewand
Autoren: Andrea Schacht
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kirchlichen Praktiken eine eigene, überaus scharfsinnige Meinung, die ihn in den Ruf eines Ketzers bringt. Damit beginnen seine Schwierigkeiten. Vor dem Scheiterhaufen kann er sich nur retten, indem er in den Orden der Benediktiner eintritt. Dreizehn Jahre führt er das keusche, arbeitsame Leben in klösterlicher Armut an verschiedenen Orten. Zuletzt führt ihn das Schicksal wieder nach Köln zurück.
    Als sein Beichtkind Jean de Champol unter sehr undurchsichtigen Gründen zu Tode kommt, trifft er auf die Begine Almut, mit der er sogleich auf das heftigste aneinandergerät. Zwischen den willenstarken Charakteren, die beide vom Leben gezeichnet sind, doch letztlich ein gemeinsames Ziel verfolgen, sprühen die Funken. Und aus ihnen entsteht eine Flamme ganz anderer Art.
    Nachdem Almut und Ivo nach einigen Irrwegen erkannt haben, dass sie zueinandergehören, muss noch ein letztes Hindernis aus dem Weg geräumt werden. Pater Ivo soll von seinen Gelübden befreit werden. Dispens zu erhalten war in der damaligen Zeit übliche Praxis. Die geldgierige Kirche nahm gerne Wertgegenstände, Grundstücke und Gold entgegen, um Ablass von Sünden, Ämter oder Pfründe dafür zu gewähren. Von allerlei Versprechen konnte man sich freikaufen, ob Pilgerreisen, Keuschheitsgelübde oder Ordensbindungen. Es war eine Frage des Preises.
    Dieses scheinheilige Verfahren wurde ein Jahrhundert später immer lauter angeprangert und führte schließlich zur Reformation.
    Mit der möglichen Gewährung eines Dispens’ beginnt nun der fünfte Teil der Geschichte um die Kölner Begine Almut und den Benediktinerpater Ivo vom Spiegel.
    Beide sind außerordentlich bibelfest, und daher möchte ich Ihnen in ihrem Namen eine Mahnung aus den Sprüchen Salomos mit auf den Weg durch diesen Roman und das Leben im Allgemeinen geben:
    »Mein Sohn, wenn dich die bösen Buben locken, so folge nicht.«
    Sprüche 1,10 (Anm. d. Autorin: auch Töchter dürfen sich angesprochen fühlen.)

Köln, im Wonnemonat Mai im Jahr des Herrn 1377

1. Kapitel
    Der Mann trug ein Wams aus graubraunem Hasenfell, in dem er beinahe mit dem Graubraun des schlammigen Weges verschmolz, so wie die vorherigen Träger dieser Pelze es ebenfalls taten. Sein struppiges Haar war kurz geschnitten und wies eine ähnliche Melange aus Grau und Braun auf. Sein Gesicht wirkte verwittert wie ein altes Stück Holz, doch seine Schultern waren breit und seine Waden in den staubigen Stiefeln stramm. Er beugte sich über eine regungslose Gestalt, die mit dem Gesicht in einer tiefen Pfütze lag, und durchsuchte mit kundigen Fingern die Beuteltaschen an dem breiten, goldverzierten Gürtel. Es war nichts von Wert darin enthalten, außer einem gesiegelten Pergament, das auffällig aus einem der Beutel hervorragte. Das Siegel gab dem Mann Aufschluss über die Identität des Toten, und mit scharfem Blick musterte er die Umgebung und dann die Spuren im Schlamm.
    Man würde nichts finden, stellte er fest. Nichts, was auf einen gewaltsamen Tod schließen ließ. Der Reiter war unglücklich vom Pferd gefallen.
    Er fuhr mit seiner Durchsuchung der kostbaren Kleider fort, doch kaum hatte er den schlaffen Gefallenen umgedreht, hob er lauschend den Kopf und ließ von seinem Tun ab. In der Ferne erklang Hufschlag. Lautlos verschwand er in dem nahen Unterholz, so wie es ein jeder tun würde, der nicht neben der Leiche eines erzbischöflichen Kuriers gefunden werden wollte.
    Über gesunden Menschenverstand verfügte der Mann in ausreichendem Maße, und als die Berittenen, Soldaten der Kölner Stadtwache, sich näherten, überließ er es ihnen, den Ersäuften zu entdecken.
    Regungslos beobachtete er, wie sie sich berieten, schließlich den Boten auf eines der Pferde hievten und zum nahen Severinstor zurückritten.
    Er selbst folgte ihnen in gebührendem Abstand, und nach vielen, langen Jahren betrat er seine Heimatstadt wieder. Älter, härter, klüger.
    Und das Schicksal nahm seinen Lauf.

2. Kapitel
    »Flinderlein. Sie nennen sich Flinderlein und sie sind nur vergoldeter Tand.«
    »Trotzdem sehen sie hübsch aus. Man könnte sie sehr schön auf ein Haarnetz nähen.«
    »Natürlich. Das würde sich bei unseren Totenklagen recht gut machen.«
    »Aber nein, Almut, nein. Ich dachte eher an Hochzeiten.«
    Almut lächelte und sah Judith, die Seidweberin, kopfschüttelnd an. Sie nahm alles für bare Münze, was sie sagte. Elsa, die Apothekerin, hingegen kicherte.
    »Sie sahen vor allem prächtig an dem Jäckchen aus, das deine
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