Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus
Autoren: Stephan M. Rother
Vom Netzwerk:
einen Spalt. Der schwarzgelockte Schopf schob sich hindurch, ohne dass der Junge eintrat.
    »Woher wussten Sie, dass ich das bin?«, fragte er staunend.
    »Erfahrung«, erwiderte Amadeo geheimnisvoll.
    Aus dem Blick des Jungen sprach Bewunderung. Amadeo wusste nur zu gut, dass Fabio ihn als seinen persönlichen Helden betrachtete. Vielleicht weil er den Jungen so bereitwillig eingestellt hatte, obwohl die Zeugnisse nun wahrlich nicht berauschend gewesen waren. Doch Fabios Vater, Taddeo Niccolosi, war bis zu seinem schrecklichen Tod sein Lieblingskollege gewesen. Amadeo hatte erst gar nicht lange überlegt - und bisher schlug der Junge sich wacker.
    Im Moment allerdings schien es Fabio in seiner Haut irgendwie nicht recht wohl zu sein. Der Junge sah zu Boden. »Also … Ich wollte nur sagen: Vincenzi ist krank. Die Grippe. Gianna sagt aber, das ist kein Problem. Sie kann das übernehmen, wenn sie mit dem Codex von den Suevi so weit ist.«
    »Grippe?«

    »Dieselbe, die auch Pisano hat - und meine Mutter. Die Grippe eben, die Eastcoast-Grippe. Sie wissen schon, die aus dem Fernsehen.«
    »Ich habe keinen Fernseher«, sagte Amadeo. Eine glatte Lüge, aber wenn der Junge ihn schon zu seinem Vorbild erkoren hatte … Von der Grippe hatte Amadeo natürlich gehört. Die Nachrichten waren voll davon, und sie hatte nicht nur Rom im Griff, sondern war überall unterwegs, von den Vereinigten Staaten, wo sie ihren Namen bekommen hatte, bis sonstwohin, bis …
    »Helmbrecht«, hauchte er unvermittelt. Wie gefährlich war diese Grippe? Er hatte bisher kaum auf die Berichterstattung geachtet, doch mit Sicherheit gab es auch Todesfälle, wie bei jeder Grippewelle, und Helmbrecht war steinalt und alles andere als gesund.
    »Wir haben keine Zeit mehr«, flüsterte Amadeo.
    » Capo?«
    Er blinzelte, sah den Jungen an. Wieder blickte Fabio zu Boden, als hätte er irgendwas angestellt. Was hatte er nur? Die Zeiten, da der Überbringer einer schlechten Nachricht enthauptet worden war, waren lange vorbei. Da steckte doch noch mehr dahinter!
    »Und du möchtest heute Nachmittag frei haben?«, erkundigte sich Amadeo einer Eingebung folgend.
    Mit großen Augen starrte der Junge ihn an. Amadeos Mundwinkel zuckten. Er hatte schon läuten hören, dass Fabio eine neue Freundin hatte. War das nicht das Zentrum des Lebens mit siebzehn Jahren? Mit Mitte dreißig sollte es nicht anders sein, dachte er mit einem Anflug von Resignation, als sein Blick zurück zum Schreibtisch wanderte. Rebeccas Foto musste er irgendwo unter dem Posteingang verbuddelt haben.
    »Dann sehen wir uns morgen um neun, denke ich mal«, sagte er.

    » Affare fatto! «, keuchte der Junge. »Ich bin pünktlich, ganz bestimmt!« Er war schon halb an der Tür, blieb noch mal stehen, bückte sich. »Ihr Kreuzworträtsel«, sagte er und reichte Amadeo einen Ausdruck der babylonischen Buchstaben. Auf den ersten Blick konnte man sie wirklich für ein Kreuzworträtsel halten.
    Und ist es das nicht auch?, dachte Amadeo, während die Tür sich hinter Fabio Niccolosi schloss und seine Schritte sich rasch entfernten. Ein gigantisches, ungeheuer kompliziertes Kreuzworträtsel, in dem man selbst die Hinweise erst einmal suchen musste?
    Schwer ließ sich Amadeo auf seinen Bürostuhl sinken. Kurz vor zwölf.
    Pisano war krank und nun auch noch Vincenzi. Wenn noch ein Ausfall dazukam, würde die Personaldecke gefährlich dünn werden. Und Amadeo selbst … Dräuend ragte der Posteingang über ihm auf, den er heute Morgen komplett beiseitegeschoben hatte, als er Helmbrechts Schreiben gewittert hatte.
    Es war unmöglich, sich jetzt auf irgendwelche Kostenvoranschläge zu konzentrieren, für Projekte, von denen er wusste, dass sie sowieso niemals zustande kommen würden.
    Ruhelos stand er wieder auf, trat ans Fenster. Dem unfreundlichen Wetter zum Trotz waren auf der Via Oddone etliche Spaziergänger unterwegs. Sein Blick blieb an einem jungen Paar haften, das eng umschlungen dem Park auf der anderen Straßenseite entgegenstrebte - einem beliebten Treffpunkt für Liebespaare, besonders natürlich nach Einbruch der Dunkelheit. Amadeo spürte einen Stich der Eifersucht.
    Wo die Frau, die er liebte, sich zu diesem Zeitpunkt aufhielt, wusste Gott im Himmel. Und wenn selbst der es nicht wusste - dann doch zumindest sein Bodenpersonal.

    Würde Amadeo sich jemals daran gewöhnen? Er hatte sich Sätze zurechtgelegt, kurze Formeln, mit denen er sich zu beruhigen versuchte, wenn ihm aufging, dass Rebecca
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher