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Die Toten von Crowcross

Die Toten von Crowcross

Titel: Die Toten von Crowcross
Autoren: Iain Mc Dowall
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    Auf den ersten Blick hatte die Leiche nichts Besonderes. Martin Grove war aus nächster Nähe mit einem Kopfschuss hingerichtet worden. Aus den beiden Löchern in seinem Schädel war Blut auf die italienischen Fliesen gelaufen, aber erst als Robinson, der Pathologe, ihn umdrehte und genauer anschaute, gab der tote Körper seine grausige Verstümmelung preis: Die halbe Zunge war aus dem Rachen geschnitten, vielleicht auch gerissen worden.
    Zehn Minuten später fanden zwei Beamte der Spurensicherung das fehlende Stück in einer der Mülltonnen hinten auf dem Grundstück. Es war überraschend groß, immer noch blutig und steckte in einer ansonsten leeren orangefarbenen Plastiktüte von Sainsbury s.
    »Ist ihm die vorher oder hinterher …?«, fragte Jacobson.
    Jacobson, Kerr und Robinson standen im Wohnzimmer. Der Mord hatte in der Küche stattgefunden, auf die die Spurensicherung ihre ersten Anstrengungen konzentrierte. Den Rest des Hauses würden sie sich später vornehmen, vom Keller bis zum Dach.
    Robinson kratzte sich mit dem Stift an der Nase und schrieb etwas auf das Blatt Papier auf seinem Klemmbrett, bevor er antwortete.»Das lässt sich im Moment unmöglich sagen, Frank. Vielleicht nach der Obduktion. Hoffen wir für ihn, dass es hinterher passiert ist.«
    »Das gebe Gott, alter Knabe«, sagte Jacobson.
    Damit hatte Robinson seine Inspektion des Tatorts beendet. Jacobson und Kerr folgten ihm durch die Diele hinaus in den Vorgarten . Es war ein Dienstagmorgen im Juni, und trotz der frühen Stunde war es schon ziemlich warm. Der Himmel war nahezu wolkenlos. Robinson beeilte sich, die Schutzkleidung loszuwerden; er streifte die Schuhhüllen ab und stieg aus dem Overall. Was sein Job vor Ort von ihm verlangte, hatte er erledigt. Das nächste Mal würde er die Leiche auf dem Seziertisch sehen. Er versprach, Jacobson zu benachrichtigen, sobald er einen Termin für die Obduktion hatte.
    Mit einem gezwungenen Lächeln hob Jacobson dankend die Hand und sah ihm nach, als er zum Auto ging. Dass Robinson Aufgaben an Untergebene delegierte, war neu. Genau wie sein fahrbarer Untersatz. Er hatte seinen heruntergekommenen, sicher noch aus Studentenzeiten stammenden VW-Käfer gegen einen matt schimmernden Saab eingetauscht. Von dem eilfertigen, manchmal etwas unbeholfenen Verhalten eines frisch von der Uni gekommenen Mediziners war nicht mehr viel übrig; neuerdings trug Robinson Anzug und Krawatte und versuchte sich besonnen und kompetent zu geben. Nur sein leicht gebeugter Rücken schien der Runderneuerung widerstanden zu haben .
    In der geteerten Einfahrt standen noch ein halbes Dutzend Streifenwagen und zivile Einsatzfahrzeuge. Gleich nach seiner Ankunft hatte Jacobson eine Mobile Incident Unity kurz MIU, angefordert: zwei Container mit allem, was vor Ort wichtig war, von der Kaffeemaschine bis zum Computer. Allerdings würde es wegen Bauarbeiten auf der Straße hinaus nach Wynarth mindestens eine Stunde dauern, bis diese MIU kam, hatten sie im Wachraum geschätzt. Jacobson sah auf die Uhr. Er brauchte unbedingt einen Kaffee, selbst wenn es das übliche Automatengebräu war. Von einer Zigarette gar nicht zu reden. Aber sosehr er auch auf einen Kaffee hoffen durfte, mit dem Rauchen war es unwiderruflich vorbei. Zwei Monate hielten Alison und er jetzt schon ohne Zigaretten durch, und sie hatten sich geschworen, nicht wieder schwach zu werden. Alison benutzte Pflaster, aber Jacobson hasste die Dinger, er vertrug sie nicht. Ohnehin war er immer der Auffassung gewesen, sich das Rauchen abzugewöhnen sei eher ein psychologisches als ein körperliches Problem. Als einen mehr als dürftigen Ersatz steckte er sich deshalb den Daumennagel in den Mund und fuhr sich damit ein paar nutzlose Sekunden lang über die Zähne.
    Für die Lage war es ein einfacher, trostlos moderner Bungalow. Im »Crowcross Arms«, dem örtlichen Pub, erzählte man sich, Grove sei mit Rucksack und in Wanderstiefeln, die Hose in derbe Socken gestopft, zu den unterschiedlichsten Zeiten entlang der Hecken über die Felder gewandert. Tag für Tag und immer allein, trotz der Frau, die nie einer zu sehen bekommen habe; sie wussten nur, dass es sie gab. All diese Informationen stammten von der örtlichen Polizistin Helen Dawson. Dawson teilte sich das Revier nördlich von Wynarth mit einem weiteren Streifenpolizisten. Beide hatten die Aufgabe gehabt, Groves Haus diskret im Auge zu behalten, wobei der Job auf ihrer Prioritätenliste wohl ziemlich weit unten
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