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Das Babylon-Virus

Das Babylon-Virus

Titel: Das Babylon-Virus
Autoren: Stephan M. Rother
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sich schon wieder tagelang nicht gemeldet hatte: Es ist nur ein ganz, ganz kleiner Geheimdienst, für den sie arbeitet, in einem ganz, ganz kleinen Land.
    Das kleinste Land der Welt sogar. Mit Abstand.
    Der Vatikan.
    Nur dass ausgerechnet der Vatikan rund um den Globus seine Finger im Spiel hatte. Und sie sich hin und wieder gefährlich verbrannte, die Finger.
    Und dann trat Rebecca auf den Plan.
    Eine Kampfmaschine, dachte Amadeo. Ich liebe eine Kampfmaschine.
    Eine Woche war es jetzt her, dass sie wieder einmal verschwunden war, wie üblich, ohne ein Ziel anzugeben. Und wie üblich war sie auf dem Handy nicht erreichbar, wenn sie auf einer ihrer Missionen unterwegs war.
    »Nein!«, flüsterte er. Wenn er anfing, über Rebecca nachzugrübeln und über die Gefahr, in der sie in diesem Augenblick ohne jeden Zweifel schwebte, würde er gar keinen klaren Gedanken mehr fassen können. »Nein!«, wisperte er. » Wir haben keine Zeit mehr! « Der Klang der Worte wollte nicht aus seinem Ohr verschwinden. Lag es einfach nur daran, dass er diesen Satz den ganzen Vormittag über wiederholt hatte, immer aufs Neue? Nein, es war die Stimme des Professors, die sie in seinem Kopf sprach, auf beunruhigende Weise verändert.
    Amadeo griff nach dem Telefon. Die Handynummer probierte er diesmal als Allererstes. Vielleicht, wenn Helmbrecht seine Nachricht auf dem Anrufbeantworter gehört hatte? Doch er meldete sich nicht, und sein Sprüchlein war dasselbe wie am Morgen.

    Auch zu Hause ging der alte Mann nicht ans Telefon, genauso wenig in seinem Büro. Selbst in der Zentrale des Paläographischen Instituts wurde nicht abgenommen. War sie etwa gar nicht besetzt? Sah es in Weimar so übel aus mit der Grippe?
    Amadeos Stimmung verdüsterte sich von Minute zu Minute.
    Er rief eine deutsche Nachrichtenseite auf den Bildschirm und überflog die Meldungen. Neben einer neuen Offensive der internationalen Allianz im Norden Afghanistans nahm die Grippe einen der wichtigsten Plätze ein. Überfüllte Krankenhäuser, die Pandemiepläne aktiviert - ganz wie in Italien. In den Vereinigten Staaten, wo die neue Krankheit sich zuerst gezeigt hatte, war das öffentliche Leben ohnehin schon fast zum Stillstand gekommen. Amadeo scrollte tiefer. Wenigstens die Zahl der Todesfälle hielt sich in Grenzen - noch. Was den Medizinern Sorgen machte, war wohl vor allem die Hartnäckigkeit der neuen Krankheit, bei der eben nicht nach drei, vier Tagen Fieber das Schlimmste ausgestanden war.
    Und nirgends ein Engel des HErrn in Sicht, dachte er unbehaglich. Einer von der zweiten Sorte aus Einsteins Geschichte. Einer, der spontan mit dem ersehnten Gegenmittel vorbeischaute.
    Der junge Mann biss die Zähne zusammen und schloss das Browserfenster. Stattdessen rief er das Mailprogramm auf und tippte eine Nachricht an den Professor mit der flehentlichen Bitte, sich zu melden. Einen Moment lang war er kurz davor, seinen Albtraum zu erwähnen, ließ es dann aber sein.
    Im selben Augenblick fiel ihm das Museum auf Sizilien ein, Giannas Staufercodex. Amadeo formulierte vorsichtig. Er hatte keine Lust auf Vorwürfe, die Handschrift sei in der
officina beschädigt worden. Aber damit rechnete er eigentlich nicht. Sie wollten blättern auf Sizilien, und sie würden was zum Blättern bekommen.
     
    Es war zwanzig Uhr durch, als Amadeo das letzte Schreiben des Posteingangs als erledigt beiseitelegte.
    Am Ende hatte er sich doch noch über den Bürokram hergemacht, aus reiner Verzweiflung. Weil er ganz genau spürte, dass er nach kaum einem halben Tag in eine Sackgasse geraten war mit dem Babylon-Text. Lächerlich, wenn er daran dachte, wie lange Helmbrecht selbst über diesem Schriftstück gegrübelt hatte. Dabei glaubte Amadeo schon jetzt, alles versucht zu haben. Alles, was ihm in den Sinn gekommen war. Wort für Wort hatte er die beiden Texte gegeneinander abgeglichen, Einsteins Version und die aus der Bibel, hatte die Unterschiede minutiös aufgelistet, ohne dass ihn irgendeine Art von Eingebung überfallen hätte. Die wesentlichste Abweichung war diejenige, die ihm von Anfang an ins Auge gesprungen war: die göttliche Pestilenz, der Einstein die Verwirrung der Sprachen zuschrieb. Das aber war kein Ansatz für eine Lösung, sondern ein Teil des Rätsels: ohne Seuche kein Gegenmittel, und ohne Gegenmittel kein geheimes Versteck, dessen Lage es zu verschlüsseln galt. Finden Sie die Lösung, hatte Einstein geschrieben. Handeln Sie danach.
    Es ist eine Kleinigkeit, dachte Amadeo.
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