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Das Aktmodell

Das Aktmodell

Titel: Das Aktmodell
Autoren: Jina Bacarr
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des Studios steht.
    “Beeilen Sie sich, Mademoiselle, wir verlieren sonst das Licht.”
    Ein penetranter Tabakgeruch steigt mir in die Nase. Wer ist dieser Kerl überhaupt? Auf alle Fälle ist er kein malender Adonis, der eine Frau dazu verführt, vor ihm die Hüllen fallen zu lassen. Im Gegenteil! Er ist zu klein geraten, hat bereits eine Glatze und trägt einen Bauch vor sich her. Und er raucht wie ein Schlot.
    “Schauen Sie sich diese Hände genau an, Monsieur. Ich kann Karate.” Natürlich übertreibe ich maßlos, aber bei den biederen Geschäftstypen, mit denen ich jeden Tag zu tun habe, funktioniert das. Die denken ja auch, dass sportliche Betätigung etwas ist, was man einhändig zu Hause erledigt.
    Übrigens, haben Sie bemerkt, wie beeindruckt der alte Maler war, als ich
Ka-ra-té
sagte, mit der Betonung auf dem
té?
Ich gebe zwar keine besonders guten Blowjobs, aber ansonsten habe ich keine Probleme mit dem Französischen. In der Schule hatte ich in diesem Fach sogar eine Eins. Ich kenne genügend Schimpfwörter, um den unfreundlichsten Taxifahrer fertigzumachen, von
salaud
, was so viel heißt wie
Blödmann
, bis
quel casse-couilles, was für ein Arschloch.
    “Ich glaube, hier liegt ein Missverständnis vor, Monsieur”, rede ich weiter, wo ich nun endlich für einen kurzen Augenblick seine Aufmerksamkeit habe. “Ich würde nicht so aufgeweicht aussehen wie überkochte Pasta, wenn ich einen Schirm hätte, was aber leider nicht der Fall ist. Niemand aus der Sendung
O. C. California
besitzt so was. Das würde unserem Image schaden, ganz zu schweigen von den Einschaltquoten.”
    Er zieht nun eine Grimasse. Bescheuert von mir. Als ob er meine Popkultur-Rhetorik verstehen könnte, mit der ich versuche zu erklären, wieso er mich nicht nackt sehen kann und warum ich lieber Selbstbräuner auftrage, anstatt mich am Strand in die Sonne zu legen. Ich erzähle ihm nicht, dass Cellulite und ich enge Verbündete sind, und ich verschweige außerdem, dass mein Magen sich gerade komisch anfühlt. Das kommt sicherlich von den fettigen Pommes, die ich auf dem Flohmarkt in mich hineingestopft habe.
    “Dann sind Sie kein Modell, Mademoiselle?” Er unterstreicht seine Frage mit einer Geste, als ob er im Supermarkt Melonen betastet, um zu prüfen, ob sie reif genug sind.
    “Nein.” Entschieden schüttle ich den Kopf.
    “Schade.” Er hustet und drückt seine Zigarette auf einer leeren Untertasse aus. Dann mustert er mich von Kopf bis Fuß. Seine Augen wandern kritisch über meine rote
Angels
-Baseballkappe, mein weißes
DKNY
-T-Shirt, meine fliederfarbene Yoga-Hose mit den weißen Streifen an der Seite und meine bequemen Laufschuhe. “Ich würde Sie trotzdem gerne zeichnen.”
    Ich neige den Kopf etwas zur Seite und denke nach. Was hält mich eigentlich zurück? Hier in Unterwäsche Modell zu stehen ist schließlich auch nicht so viel anders, als auf einer Poolparty im Bikini herumzustolzieren, oder? Warum sollte ich es nicht einfach riskieren?
    Ich nicke. “Okay. Dann habe ich gleich ein witziges Souvenir.”
    Er lächelt und lässt dann die Bombe platzen. Direkt in meinem Schoß. “Bon. Sehr gut. Sie müssen nackt für mich Modell stehen.”
    “Sind Sie sich sicher, dass Madonna auch so angefangen hat?”, frage ich sarkastisch, wobei ich vor Nervosität so stark an dem Bund meines Slips ziehe, dass er gegen meinen nackten Bauch zurückschnellt.
    Autsch!
    Meine nassen Kleider habe ich bereits ausgezogen, sie hängen über dem großen schwarzen Wandschirm in der Ecke. Ebenso wie meine Tasche mit meinem Geld und Ausweis.
    “Mademoiselle?”
    “Die Sängerin, verstehen Sie? ‘Like a Virgin’?” Ich lasse meine Hüften kreisen wie eine Popdiva. Aber irgendwie hat das wohl nicht den gleichen Effekt wie bei ihr.
    Der alte Künstler zuckt nur mit den Schultern. “Es ist mir egal, ob Sie noch Jungfrau sind …”
    Ich bin es nicht mehr, aber ich lächle trotzdem.
    “… ich möchte Sie gerne zeichnen, Mademoiselle, und nicht mit Ihnen ins Bett gehen.”
    Das war’s dann. Aus meinem Ego ist vollends die Luft raus. Schon mal ein benutztes Kondom gesehen?
    Also gut! Ich winde mich aus meinem pinkfarbenen Schlüpfer und lasse ihn nach unten auf die Plattform gleiten. Geschafft! Ich bin nackt. Jetzt gibt es kein Zurück mehr, auch wenn ich meine Bikinizone nicht rasiert habe.
    Es lebe mein nacktes Selbst!
    Ich beobachte den alten Künstler, wie er sein Zeichenbrett mit einem feuchten Tuch abwischt. Was mache ich
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