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Darling Jim

Darling Jim

Titel: Darling Jim
Autoren: Christian Mork
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Nachbarn machen würde.
    Es war Abend geworden. Die Astronauten hatten endlich ihre Zelte zusammengepackt und ihre Ergebnisse zur Hauptwache gebracht. Die Zuschauer zerstreuten sich allmählich, als Desmond aus dem Hausinneren ein Geräusch hörte, das irgendwo zwischen einem Ruf und einem Aufschrei lag. Dort hatte jemand eine unangenehme Überraschung erlebt. Sekunden später erschien der junge Garda in der Tür, der das Mädchen gefunden hatte. Sein aschfahles Gesicht war bis zur Unkenntlichkeit verzerrt. Was auch immer er gerade gesehen hatte, überstieg seine Toleranz für menschliche Abscheulichkeit bei Weitem.
    »Sarge«, sagte er mit erstickter Stimme. »Wir haben da was übersehen.«
    Vor einem Regal im zweiten Stock hatte sich ein Hund geweigert weiterzulaufen. Stattdessen bohrte er die Pfoten in den Teppich und winselte leise. Er heulte nicht, sondern klang, als trauere er um das, was er in der Nähe spürte.
    Als die Gardai schließlich das Bücherregal beiseitegerückt hatten und die verriegelte Tür aufbrachen, die sich dahinter versteckte, fanden sie das zweite Mädchen.
    »Wahrscheinlich jünger als die erste«, sagte der Gerichtsmediziner ein paar Tage später, nachdem er die Autopsien an den drei Frauen beendet hatte. Er zog sich die Gummihandschuhe mit einer geschickten Bewegung, die ihm keinerlei Freude bereitete, von den Händen.
    Dieses letzte Opfer war in einen winzigen Abstellraum gezwängt worden, der im Grunde genommen schon Teil der Außenwand war. Dieser feuchte Verschlag war mit dem Zimmer des ersten Mädchens durch einen engen Lüftungsschacht verbunden, und die Tür, die hineinführte, war so winzig, dass sie in ein Puppenhaus gepasst hätte. Auch dieses Mädchen trug keine Papiere bei sich, man schätzte ihr Alter auf Anfang zwanzig. Sie hatte festes schwarzes Haar, das schön gewesen sein musste, als es noch sauber genug war, um gekämmt zu werden. Ihre Haut wies zwar wunde Stellen auf, die von mangelnder Hygiene und Proteinmangel herrührten, zeigte aber keine Anzeichen körperlicher Gewaltanwendung. Im Gegensatz zu dem ersten Opfer war sie an multiplem Organversagen gestorben, das durch allmähliche Vergiftung und Unterernährung ausgelöst worden war. Ihre Arme waren so mager, dass kein Muskeltonus mehr zu spüren war. Als man sie fand, war sie in eine schmutzige Decke gewickelt, wie ein Hund, den man ausgepeitscht hatte. Ein Beamter befreite die Leiche vorsichtig von den Fußeisen, die beide Knöchel blutig gescheuert hatten. Beide Handflächen der Leiche waren mit Tinte befleckt, und neben ihr fand man später einen undichten Kugelschreiber, jedoch kein Papier. Dafür ließ sich keine befriedigende Erklärung finden. Hatte sie in der Dunkelheit ihrer Gefängniszelle jemandem geschrieben? Und falls ja, was hatte sie mit der Nachricht gemacht?
    In den folgenden Tagen stellten die Gardai das gesamte Haus auf den Kopf und suchten nach Hinweisen.
    Nachdem sie mit einem von Moira Walshs vielen Schlüsseln schließlich eine Kommode geöffnet hatten, wurde die Geschichte noch schlimmer. Und selbst die giftigsten Klatschmäuler von Malahide verstummten vor der berechnenden Abscheulichkeit, die von den Schnüfflern der Polizei ans Tageslicht befördert wurde.
    Die Schublade enthielt zwei Führerscheine. Einer war auf eine rothaarige, wohlgenährte Fiona Walsh, Alter 24, aus Castletownbere, County Cork, ausgestellt. Sie musste das erste Mädchen sein. Der andere Führerschein gehörte der zweiundzwanzigjährigen Roisin Walsh, auf dem Foto ein Mädchen mit schwarzen Locken und blassen Zügen, das kaum Ähnlichkeit mit der bis aufs Skelett abgemagerten Kreatur aufwies, die nun neben ihrer Schwester auf einer Metallbahre lag. Es war noch unklar, wie und wann die Mädchen in Moiras Haus aufgetaucht waren, aber es war ein anderer Umstand, der die Zeitungen dieser Woche wie warme Semmeln weggehen ließ. Das saftige Detail, das dem Evening Herald und dem Irish Daily Star goldene Verkaufszahlen bescherte, noch lange nachdem der erste Schockwert der Nachricht abgeklungen war, bestätigte, was viele Leser bereits geahnt hatten:
    Fiona und Roisin Walsh waren nicht nur zwei Schwestern, die einen schrecklichen Tod gestorben waren.
    Moira Walsh, die sie gefangen gehalten und getötet hatte, war ihre Tante.
    SKLAVENSCHWESTERN VON EIGENER TANTE ERMORDET, lautete eine Schlagzeile. DIE SCHÖNEN UND DAS BIEST, die des Konkurrenzblattes. Dies war zwar nicht sehr taktvoll, aber zutreffend. Man fand heraus, dass
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