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Inspector Alan Banks 08 Der unschuldige Engel

Titel: Inspector Alan Banks 08 Der unschuldige Engel
Autoren: Peter Robinson
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* EINS
     
    * I
     
    In der Nacht, in der alles begann, zog dichter Nebel talabwärts und hüllte die Stadt Eastvale in einen undurchdringlichen Schleier. Nebel kroch auf dem Marktplatz durch die Spalten zwischen dem Kopfsteinpflaster, Nebel dämpfte den Klang des Gelächters aus dem Queen's Arms und das Licht durch die roten und bernsteinfarbenen Scheiben, Nebel benetzte das kalte Glas verhangener Fenster und suchte sich seinen Weg durch die schmalen Schlitze unter den Türen.
      Am dichtesten aber schien der Nebel auf dem Friedhof der St.-Mary's-Kirche zu sein, über den eine schöne Frau mit langem rotbraunem Haar wandelte, barfuß und betrunken, die unsicher ein Weinglas mit Pinot noir in der Hand balancierte.
      Sie schlingerte zwischen den gedrungenen, knorrigen Eiben und den mit Moos bedeckten Grabsteinen hindurch. Manchmal glaubte sie Gespenster zu sehen, graue, durchsichtige Gestalten, die durch die Grabmale vor ihr huschten. Aber sie machten ihr keine Angst.
      Dann kam sie zum Mausoleum der Inchcliffes.
      Gigantisch und prachtvoll ragte es im Nebel vor ihr auf: klassische, in Marmor geformte Linien, mit Unkraut überwucherte Stufen, die hinab zu der schweren Eichentür führten.
      Aber sie war gekommen, um den Engel zu besuchen. Sie mochte den Engel. Als wäre nichts Irdisches von Bedeutung, waren seine Augen gen Himmel gerichtet, seine Hände zum Gebet gefaltet. Obwohl er aus massivem Marmor bestand, dachte sie oftmals, er wäre so durchlässig, dass sie ihre Hand hindurchstecken könnte.
      Sie schwankte leicht, prostete dem Engel zu und trank den Wein mit einem Schluck aus. Unter ihren Füßen konnte sie das kalte, feuchte Gras auf dem Boden fühlen.
      »Hallo, Gabriel!«, sagte sie lallend. »Tut mir Leid, aber ich habe schon wieder gesündigt.« Sie musste aufstoßen und legte eine Hand vor den Mund, »'tschuldigung, aber ich glaube, ich kann einfach nicht ...«
      Dann sah sie etwas, ein schwarz-weißes Etwas, das hinter dem Mausoleum hervorragte. Neugierig kniff sie ihre Augen zusammen und stolperte darauf zu. Erst als sie nur noch gut einen Meter davon entfernt war, bemerkte sie, dass es sich um einen schwarzen Schuh und einen weißen Strumpf handelte. Und da drin steckte ein Fuß.
      Mit einer Hand vor dem Mund taumelte sie zurück und ging dann im großen Bogen um das Grabmal herum. Alles, was sie erkennen konnte, waren die blassen Beine, das blonde Haar, der geöffnete Ranzen und die kastanienbraune Uniform der Mädchenschule von St. Mary's.
      Sie schrie auf und ließ ihr Glas fallen. Es zersprang auf einem Stein.
      Dann fiel Rebecca Charters, die Frau des Pfarrers von St. Mary's, mit ihren Knien auf die Glasscherben und musste sich übergeben.
     
    * II
     
    Der Nebel schmeckte nach Asche, fand Detective Inspector Alan Banks, während er den Kragen seines Regenmantels hochschlug und den asphaltierten Weg zu dem schwachen, verschleierten Licht hinabeilte. Aber vielleicht bildete er sich das auch nur ein. Obwohl er die Leiche noch nicht gesehen hatte, spürte er bereits, wie sich auf vertraute Weise sein Magen zusammenzog, was jedes Mal bei einem Mordfall passierte.
      Als er den Tatort gleich neben dem schmalen Kiesweg hinter einem Gebüsch erreichte, sah er durch die aufgestellte Leinwand die schemenhafte Silhouette von Dr. Glendenning, die sich wie in einer Pantomime in einem jakobinischen Drama über eine auf dem Boden liegende, verschwommene Gestalt beugte.
      Der Nebel hatte die übliche Reihenfolge, in der die verschiedenen Zuständigen am Tatort erscheinen, völlig durcheinander gebracht. Banks selbst war bei einem Treffen leitender Polizeibeamter in Northallerton gewesen, als ihn der Anruf erreichte, und folglich fast der Letzte, der eintraf. Peter Darby, der Polizeifotograf, war bereits vor Ort, ebenso Detective Inspector Barry Stott, der aus Gründen, die jedem sofort einleuchteten, der ihn sah, weithin als »Segelohr« bekannt war. Stott, der nach seiner Beförderung vom Detective Sergeant jüngst von Salford nach Eastvale versetzt worden war, ersetzte zeitweilig Detective Sergeant Philip Richmond, der zu Scotland Yard in eine spezielle Computereinheit gewechselt war.
      Banks holte tief Luft und ging hinter die Leinwand. Dr. Glendenning schaute auf, eine Zigarette baumelte in seinem Mundwinkel, deren Rauch sich nicht von dem Nebel unterscheiden ließ, der die beiden umgab.
      »Ah, Banks ...«, sagte er mit seinem singenden Edinburgher Tonfall und
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