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Dann mach ich eben Schluss

Dann mach ich eben Schluss

Titel: Dann mach ich eben Schluss
Autoren: Christine Fehér
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einfach aus und setze mich mit meinem Tagebuch aufs Fensterbrett, um den Nachthimmel zu genießen.
    Wie gern würde ich diesen Anblick mit Max teilen. Ich bin sicher, er würde genauso empfinden wie ich, zusammen würden wir die Schönheit des leuchtenden Mondes auf uns wirken lassen, vielleicht versuchen, in den vielen verschiedenen Kratern etwas zu erkennen. Als Kind habe ich immer versucht herauszufinden, ob sich dort oben etwas bewegt, und oft genug hatte ich das Gefühl, es wäre wirklich so. Solche Sachen kann man nicht mit jedem machen, aber mit Max ginge das, da ist er wie ich. Wir könnten am Kanal spazieren gehen und dem leisen Gurgeln des schwarzen Wassers lauschen, der Mond würde sich in den sanften Wellen spiegeln, zusammen würden wir über das Gesicht des Mondes lachen, wie es sich darin verzerrt und Grimassen schneidet. Wir könnten im kühlen Gras liegen, eng umschlungen, und in die Sterne schauen – einen würden wir suchen, der »unserer« wäre, der hellste von allen. Vielleicht würden wir Sternschnuppen sehen, oder Fledermäuse, die vor den Bäumen ihre Nachtflüge begonnen hätten. Später würden wir zusammen übernachten, hier bei mir, er würde endlich einmal bleiben, und am Morgen würden wir zusammen den Sonnenaufgang beobachten, auf meinem Balkon, viel zu schnell würde sie als leuchtender, zunächst noch sanft verschleierter Feuerball hinter den Dächern der Stadt hervorkriechen, um dann aufzusteigen und uns schon bald mit ihren Strahlen zu wärmen, bis wir bereit wären für den neuen Tag. Keiner von uns müsste an den Tod denken, ich nicht aus Angst und er nicht aus Sehnsucht. Über uns würde die Sonne aufgehen, und den Tod würde es nicht mehr geben, sondern nur noch uns und das Leben. Durch die Nähe zueinander würden wir es spüren. Ich hoffe so sehr, dass wir eines Tages wieder zueinander finden. Selbst jetzt fühle ich mich ihm noch nah. Ich möchte so gern wissen, was er gerade macht und ob er auch an mich denkt.
    7:10 Uhr
    Mist, ich habe vergessen, meinen Wecker auszuschalten, dabei habe ich heute frei. Ausgerechnet heute, nachdem ich erst im Morgengrauen eingeschlafen bin, hat mich um halb sechs das Radio geweckt. In den Nachrichten haben sie was von einem schweren Unfall auf einer Landstraße erzählt. Ein Kleinwagen sei aus ungeklärter Ursache von der Fahrbahn abgekommen und gegen einen Baum geprallt, der 18-jährige Fahrer sei sofort tot gewesen, drei weitere Insassen hätten schwer verletzt überlebt. Max. Es darf nicht Max sein, bitte nicht. Ich bin völlig außer mir, meine Zähne schlagen unablässig aufeinander und meine Fingerspitzen sind wie gefroren. Ich kann nichts essen, nichts anfangen, nicht denken. Er muss es nicht sein, darf nicht. Ich habe solche Angst. Bitte, Max, melde dich. Sag dass du das nicht bist. Ich lieb dich doch, Max, das weißt du.
    12:00 Uhr
    Diese Ungewissheit macht mich verrückt. Die Nachrichten bringen immer dieselbe Meldung, in der Zeitung steht natürlich noch nichts. Im Internet nachsehen könnte ich. Ich will das Foto nicht sehen. Max’ Handy ist ausgeschaltet, ich habe auf die Mailbox gesprochen. Er meldet sich nicht.

    17:25 Uhr
    Paula hat angerufen, ihre Stimme klang ganz eigenartig. Sie kommt gleich vorbei. Kann sie mehr wissen als ich? Und woher?
    21:56 Uhr
    Sie ist gerade gegangen. Und sie hat im Internet nachgesehen, weil sie bei den Nachrichten auch sofort an Max gedacht hat, ich habe ihr ja genug erzählt. Auf der Webseite einer Boulevardzeitung steht, bei dem verunglückten Fahrer handele es sich um den 18-jährigen Maximilian R.
    Max. Max Rothe. Er muss es nicht sein. Ich spüre aber, dass er es ist.
    Paula hat gefragt, ob sie bei mir bleiben soll, aber ich habe sie weggeschickt. Sie kommt morgen wieder, den Sonntag überstehe ich nicht ohne sie. Aber jetzt will ich allein sein. Allein mit Max. Ich spüre, dass er noch da ist, ganz in meiner Nähe. Ich zünde eine Kerze für ihn an und schicke ihm meine stummen Gedanken. Meine Liebe. Ich rede mit ihm. Vielleicht spürt er es noch, wo immer er auch ist.
    25. Juni
    Max’ Eltern waren heute in der Gärtnerei, um den Kranz zu bestellen. Es war so eigenartig, sie zu sehen, mit ihnen zu sprechen. Ich kenne sie, aber sie kennen mich nicht, wissen nichts von mir. Die Mutter hätte ich am liebsten ganz fest in die Arme genommen, sie
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