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Damenschneider

Damenschneider

Titel: Damenschneider
Autoren: Rupert Schöttle
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Nachlässigkeit gehört bestraft.«
    Nachdem Vogel sich im Spital darüber informiert hatte, ob die beiden noch immer krank gemeldet waren, und außerdem die Adresse von Schwester Esther erfragt hatte, fuhren unsere Inspektoren in die Laxenburger Straße im 10. Bezirk, wo sich die Wohnung von Esther Neuhold befand.
    Entgegen ihres Namens, das dem Uneingeweihten vermitteln könnte, dass sich diese Straße unweit des gleichnamigen Schlosses befindet, handelt es sich bei dieser um eine typische Ausfallstraße im südlichen Wien, in der die Bewohner mit ständigem Verkehrslärm und abgasgeschwängerter Luft konfrontiert werden.
    Das Haus, in dem Esther Neuhold wohnte, war ein klassisches Wiener Vorstadthaus aus dem beginnenden 20. Jahrhundert. Angesichts der wenig einträglichen Wohnlage hatte der Hausbesitzer während der letzten Jahrzehnte offenbar auf jede Investition verzichtet, so dass es hier noch nicht einmal eine Gegensprechanlage gab, was den Kriminalisten die Realisierung ihres Vorhabens erleichterte, mussten sie sich so doch erst an der Wohnungstüre ankündigen.
    Denn ein Klopfen an der Türe, ein heftiges zumal, wirkt stets zwingender als das harmlose Läuten einer Türglocke.
    Dies wusste auch Vogel, der sich mit einem entschlossenen Pochen und dem gleichzeitigen Rufen ihres Namens anmeldete.
    Nach einigem Rumoren hörten die Kriminalisten im Innern der Wohnung das leise Schließen einer Türe sowie vorsichtige Schritte im Vorzimmer. Dort verharrte die Person noch einige Augenblicke unbewegt, um zu lauschen, ob sich der ungebetene Besuch nicht schon wieder verzogen hätte.
    Vogel klopfte abermals, allerdings um einiges dezenter – er wollte sie ja nicht erschrecken.
    »Ja, bitte?«, fragte Neuhold erschrocken.
    »Grüß Gott, Frau Neuhold«, sprach Walz leise in den Spalt der noch immer geschlossenen Tür hinein. »Hier ist Walz, wir haben uns zuletzt in der Führichgasse getroffen.«
    Nachdem sie die Sicherungskette gelöst und das Schloss zweimal entriegelt hatte, öffnete sie ihre Wohnungstüre gerade so weit, dass sie hinausschauen konnte.
    »Was wollen Sie?«, fragte sie mit schwacher Stimme.
    »Liebe Frau Neuhold, mein Kollege Vogel und ich hätten nur noch ein paar Fragen an Sie. Haben Sie keine Angst, es wird nicht lange dauern.«
    Walz, der sich nur allzu gut an die reizbaren Nerven von Schwester Esther erinnern konnte, war die Freundlichkeit in Person.
    Langsam öffnete sie die Tür.
    »Entschuldigen Sie bitte meinen Aufzug«, sagte sie, auf ihren Morgenmantel deutend, »aber ich fühle mich heute überhaupt nicht wohl.«
    »Wir wissen das«, beruhigte sie Walz, »es wird auch bestimmt nicht lange dauern.«
    In ihrem Wohnzimmer, dessen Fenster auf die stark befahrene Straße gingen, war es ausgesprochen stickig.
    Nachdem sie sich auf einer mit hellbeigem Leinen bezogenen Sitzgarnitur niedergelassen hatten, die in ihrer Leichtigkeit in einem bemerkenswerten Gegensatz zu der dumpfen Atmosphäre stand, die so oft die Wohnung eines Kranken kennzeichnet, ergriff nun Vogel das Wort.
    »Sie haben meinem Kollegen erzählt, dass Sie am Vorabend seines Todes das letzte Mal bei Herrn Bilovic gewesen sind. Sind Sie die ganze Nacht bei ihm gewesen?«
    Neuholds blasses Gesicht wurde von einer leichten Röte überzogen.
    »Nein, ich bin nach Hause gefahren, weil ich am nächsten Tag Frühdienst hatte.«
    »Wissen Sie noch, wie lange Sie bei Bilovic waren?«
    »Ja, bis etwa 22 Uhr«, ihre anfangs zittrige Stimme gewann an Festigkeit.
    »Kennen Sie eigentlich Elisabeth Marthaler?«
    Plötzlich fing sie am ganzen Körper zu zittern an, während sie die Inspektoren Hilfe suchend anschaute.
    »Also, kennen Sie sie?« wiederholte Vogel sanft, während Walz schon das Schlimmste befürchtete.
    Nachdem er wieder keine Antwort erhalten hatte, konstatierte er:
    »Sie kennen sie also.«
    »Ja, ich weiß von ihr«, flüsterte sie endlich.
    »Und Sie wussten auch, dass Frau Marthaler ein Verhältnis mit Herrn Bilovic hatte?«
    »Ja, das wusste ich auch«, sagte sie bitter.
    »Und seit wann wussten Sie von dieser Beziehung?«
    »Seit Montagabend.«
    »Also dem Abend, an dem Sie ihn das letzte Mal getroffen haben?«
    Sie nickte.
    »Hat er es Ihnen gesagt?«
    »Nein, ich habe sie zusammen gesehen«, sie sprach nun so leise, dass Vogel seinen Kopf schief legte, um sein rechtes Ohr in eine günstigere Position zu bringen.
    »In seiner Wohnung?«
    »Ja, in seinem Schlafzimmer …«
    »Sie haben die beiden also in flagranti
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