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Damenschneider

Damenschneider

Titel: Damenschneider
Autoren: Rupert Schöttle
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Hand- und Fußgelenken von Bilovic feststellte, womit klar war, dass es sich um mindestens zwei Täter gehandelt hatte. Die Spuren im Stiegenhaus deuteten zudem darauf hin, dass der Leichnam von zwei nicht sehr kräftigen Menschen hinuntergetragen wurde, da er immer wieder am Boden schleifte und mehrmals abgesetzt wurde. Dazu kommt, dass Bilovic sich widerstandslos vergiften ließ, an seinem Körper wurden keine Spuren körperlicher Gewalt entdeckt. So kamen eigentlich nur Menschen in Frage, die er sehr gut kannte, und die von der Einrichtung des OPs unterrichtet waren. Und das waren, wie Sie ja selbst wissen, nicht allzu viele. Vielleicht mit Ausnahme der Patienten, die jedoch, wie Sie beide übereinstimmend sagten, sieht man von der bedauernswerten Frau Rost ab, mit seiner Arbeit zufrieden waren und daher eigentlich keinen Grund hatten, ihm Böses zu tun. Zudem hätte er eine solche Person wohl kaum in seinem Operationssaal willkommen geheißen. Wenn man also von dieser Gruppe absieht, bleiben eigentlich nur zwei Menschen übrig, auf die all diese Merkmale zutreffen. Und das, meine verehrten Damen, sind Sie. Außerdem haben Sie beide ein Motiv: Beide sind Sie von Herrn Bilovic verlassen worden. Und schließlich verbindet nichts mehr als ein gemeinsamer Feind. Gut, bis dahin sind wir uns anscheinend einig. Jetzt habe ich eine Frage an Sie, die uns vor ein großes Rätsel stellt: Wie haben Sie es bewerkstelligt, Herrn Bilovic zu vergiften, ohne dass er es merkte?«
    Es war Sabine Schaub, die die beklemmende Stille unterbrach.
    »Das klingt ja alles ganz nett, Herr Inspektor, aber wie kommen Sie ausgerechnet auf mich? Ich habe mich von Bojan schon vor Monaten getrennt und dieses unerfreuliche Kapitel längst abgeschlossen. Wenn ich ihn hätte umbringen wollen, dann hätte ich das wohl schon viel früher getan.«
    »Rache ist eine Speise, die kalt genossen wird, liebe Frau Schaub. Und solch ein raffinierter Mord muss doch von langer Hand geplant sein.«
    »Aber ich habe ihn nicht umgebracht!«, sagte Schaub verärgert. »Das könnte ich sogar beschwören!«, fügte sie etwas hilflos hinzu.
    »Und was sagen eigentlich Sie dazu, Frau Neuhold? Haben Sie zu meinen Mutmaßungen nichts Erhellendes beizutragen?«
    »Sabine hat ihn wirklich nicht umgebracht, das kann ich Ihnen bestätigen«, sagte sie leise.
    »Wenn Sie das so genau wissen, dann können Sie uns auch sicherlich mitteilen, wer ihn dann umgebracht hat.«
    Nach einer kurzen Pause schaute sie Vogel offen ins Gesicht und sagte einfach:
    »Ich war es!«
    »Und wer noch?«
    »Niemand«, sie zuckte mit den Schultern. »Ich habe das alleine gemacht … Reicht Ihnen das nicht?«
    »Und Sie waren es auch, die den Leichnam hinuntergeschleppt hat? An Füßen und Händen abwechselnd? Das glauben Sie doch wohl selbst nicht. Also, wer hat Ihnen dabei geholfen?«
    Esther Neuhold senkte wieder ihren Kopf und sagte nichts mehr.
    »Wissen Sie vielleicht etwas darüber, Frau Schaub?«
    »Ja«, sagte die Angesprochene nach einer Weile, »ich geb’s ja zu. Ich hab’ ihr geholfen, die Leiche nach unten zu bringen. Alleine hätte sie es ja nicht geschafft, und sie hat mir unendlich leid getan. Schließlich hat sie genau das gemacht, was auch ich damals am liebsten getan hätte und nur zu feig dazu war, und da konnte ich sie doch nicht im Stich lassen. Der Bilovic war wirklich ein entsetzlicher Mensch. Ein Tyrann und ein Monster!«
    »Waren Sie dabei, als Frau Neuhold den Mord beging?«
    »Nein, war ich nicht. Esther hat mich erst angerufen, als es passiert war. Ich habe ja nie geglaubt, dass sie mit ihrer Ankündigung ernst machen würde. Wie oft sagt man in einem solchen Fall, dass man den anderen umbringt. Aber sie hat es nicht bei der Ankündigung belassen«, fügte Sabine Schaub nachdenklich hinzu, und schaute bewundernd zu ihrer Kollegin hinüber.
    »Warum haben Sie den Leichnam überhaupt hinuntergeschafft? Im OP hätte der doch womöglich monatelang vor sich hinschimmeln können, ohne dass es jemand bemerkt hätte.«
    »Na ja, nach der Geschichte mit der Frau Rost, bei der der Arzt so ohne Weiteres ein Herzversagen festgestellt hatte, haben wir gehofft, dass er beim Bilovic auch eine natürliche Todesursache feststellt. Seitdem die Gerichtsmedizin in Wien aufgelöst wurde, geht es bei den Leichenbeschauen ja ziemlich nachlässig zu. Deshalb haben wir ihn ja auch sauber gemacht und so drapiert, als wäre er im Schlaf gestorben. Wenn er irgendwann da oben gefunden worden wäre,
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