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Damenschneider

Damenschneider

Titel: Damenschneider
Autoren: Rupert Schöttle
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beistand, ich weiß ja noch aus unserer gemeinsamen Zeit, wie sehr er dem Konzert entgegengefiebert hat. Außerdem hatte ich ein schlechtes Gewissen wegen der Sache mit Bojan.«
    »Hast du es ihm etwa gesagt?«, fragte Walz entgeistert.
    »Ja, ich habe es ihm gesagt«, sagte sie unwirsch, »aber erst nach dem Konzert, als er auf der Heimfahrt im Taxi wieder einmal ausgerastet ist …«
    »Der arme Florian«, sagte Clara leise, worauf ihr Elisabeth einen bösen Blick zuwarf und ihre Hand zurückzog.
    Nach einem weiteren Schluck Wein setzte Walz die Befragung fort.
    »Wenn dich Bilovic so liebte, wie du sagst, warum hat er dann eigentlich nicht mit Esther Neuhold gebrochen?«
    »Ach, die Neuhold«, sagte Elisabeth verächtlich, »die behandelte er so, wie ich ihn behandelte. Wie ein Stück Dreck. Und genauso wie er an mir hing, hing sie an ihm. Zwischen den beiden lief ab dem Moment nichts mehr, als ich in Bojans Leben trat. Dafür habe ich schon gesorgt.«
    »Trotzdem besaß sie noch einen Schlüssel zu seiner Wohnung.«
    »So lange lief das ja noch nicht zwischen dem Bojan und mir. Wir waren gerade eine gute Woche zusammen, da hatte sich halt noch keine Möglichkeit ergeben, ihm den Schlüssel zurückzugeben. Mir war es ja egal, ob die Neuhold von uns beiden wusste.«
    »Und warum hast du so gleichgültig reagiert, als wir dich im ›Drechsler‹ mit seinem Tod konfrontiert haben? Hast du es da schon gewusst?«
    »Auch ich fahre mit der U-Bahn zur Arbeit … Als ihr mich sprechen wolltet, hab’ ich es mir schon gedacht, warum ihr anruft, und mir ein bisserl was zurechtgelegt.«
    »Raffiniert. Da wir hier in aller Offenheit sprechen, du brauchst die Frage auch nicht zu beantworten, mag ich noch eine etwas delikate Gelegenheit ansprechen. Hatte Bilovic besondere sexuelle Vorlieben?«
    »Geht das nicht etwas zu weit?«, protestierte Clara, doch Elisabeth deutete ihr an, dass sie durchaus gewillt sei, diese Frage zu beantworten.
    »Die hatte er bestimmt, aber nicht mit mir – ich habe ihn da ziemlich kurz gehalten, er war ja der rasend Verliebte … Da musste ich nicht viel tun«, sagte sie kühl.
    »Kannst du dir vorstellen, dass er auch homosexuelle Neigungen hatte?«
    »Der Bojan?«, sie lachte verächtlich. »Dazu war er ein viel zu großer Macho. Außerdem sprach er ziemlich abfällig über die ›Tunten‹, wie er sie nannte.«
    »Da du uns eine Generalbeichte angekündigt hast, würde ich jetzt noch ganz gerne von dir wissen, ob du ihn umgebracht hast.«
    »In einer Beichte lügt man nicht, und daher kannst du mir ruhig glauben: Ich war es nicht!«
    »Und hast du eine Ahnung, wer es gewesen sein könnte?«
    »Nach seinem Charakter zu schließen, hätten wahrscheinlich einige Leute einen triftigen Grund gehabt, ihn zu ermorden«, antwortete sie gleichmütig. »Da ich aber keinen Unschuldigen in die Bredouille bringen will und eigentlich auch keinen Verdacht habe, müsst ihr da leider schon selbst draufkommen.«

12. Kapitel (Freitag)
     
    »No servus, das sind ja tolle Neuigkeiten, die du mir da auf nüchternen Magen präsentierst«, sagte Vogel, als ihm ein noch arg mitgenommener Walz am nächsten Morgen die spätabendliche Beichte von Elisabeth Marthaler schilderte. »Und, glaubst du ihr?«
    »Ich hätte mir zwar niemals vorstellen können, dass diese Frau so kaltschnäuzig sein könnte, aber ich denke, dass sie die Wahrheit gesagt hat … Wenn ich mir vorstelle, dass ich mit der einmal was anfangen wollte …«, nachdenklich schaute er durch das Fenster in den trostlosen Novembernebel, der sich wie so oft in dieser Jahreszeit über Wien gelegt hatte.
    Doch lange konnte er nicht seinen Gedanken nachhängen, denn Vogel hatten diese Neuigkeiten offensichtlich zu einem für diese Tageszeit völlig unüblichen Tatendrang inspiriert.
    »Gut, dann nehmen wir uns erst einmal die fidelen Schwestern vor«, gab er sich entschlossen. »Und wenn aus denen nichts herauszubringen ist, dann werden wir wohl unserem Sängerknaben noch einmal die Beichte abnehmen müssen. Der hätte eh am meisten Grund dazu: Ich glaube, wenn mir einer zuerst die Eier abzwickt und dann auch noch die Frau ausspannt, dann würde ich auch zum Mörder werden. Damit die beiden sich aber nicht wieder telefonisch krank melden, schlage ich vor, den Damen einen persönlichen Überraschungsbesuch abzustatten.«
    »Wen zuerst?«
    »Das bessere Motiv hätte ohne Zweifel die Neuhold, außerdem hat sie noch immer nicht zurückgerufen – eine solche
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