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Dalamay (Mein Leben ging einen anderen Weg)

Dalamay (Mein Leben ging einen anderen Weg)

Titel: Dalamay (Mein Leben ging einen anderen Weg)
Autoren: Samarkand
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und beobachtete die Menschen um mich herum. Obwohl ich in deutscher, englischer sowie französischer Konversation ausgiebig unterrichtet worden war, waren meine Kenntnisse hier nicht gefragt. Es interessierte niemanden. Ich interessierte niemanden. Meine zukünftigen Schwiegereltern und auch Jacques, wenn er denn etwas sagte, sprachen ein sehr gutes und fast akzentfreies Deutsch. Es wurden die erlesensten Weine Frankreichs gereicht, die mein Vater extra für besondere Anlässe in seinem Weinkeller aufbewahrte.
    Nach einer sehr wohlschmeckenden Bouillabaisse wurden als Zwischengang verschiedene Pastetchen mit hauchdünn geschnittenem Brot gereicht. Es schmeckte köstlich und an diesem Tag war ich mir sicher, dass ich aus diesem Haus nur das Küchenpersonal, das so herrliche Speisen zubereiten konnte, vermissen würde. Als Hauptgang wurde mit Trüffeln gefüllter Fasan sowie Wildlachs in einer feinen Dillrahmsauce gereicht. Dazu gab es Preiselbeergelee, Erdäpfel mit ganz kleinen Champignons gefüllt und natürlich ein Gratin aus Kartoffeln und verschiedenen Gemüsen der Saison. Eine Meister leistung unserer Köchin. Als die Platten sich leerten, wurde mit Lammfleisch aus der Lende aufgewartet, welches am Tisch mit einem erlesenen Grand Marnier flambiert wurde. Dieser Duft setzte die feinsten Aromen frei. Es gab dazu in Butter geschwenkte kleine Möhrchen und ganz kleine Kartoffeln aus einem fernen Land. Ich habe vergessen, woher. Der Name lautete, so glaube ich, Maniok. Als wir zu Ende gespeist hatten, brachten die Väter von Jacques und mir noch ein paar Trinksprüche aus. Wobei mein Vater sich mehr über das Zusammenwachsen der beiden Bankhäuser zu freuen schien, als über die Verbindung seiner Tochter mit Jacques Kastell-Paol. Die Worte meines zukünftigen Schwiegervaters Francois klangen schon ein wenig schlüpfriger, hatte er doch sehr dem Wein zugesprochen. Während er meiner Mutter begierige Blicke zuwarf, überlegte ich, dass er wohl früher ein sehr attraktiver Mann gewesen sein musste. Mittlerweile konnte man das nur noch erahnen. Er war zwar fast so groß wie sein Sohn, aber sein Körperumfang sprach doch dafür, dass er Speis und Trank sehr zugetan war. Sein Gesicht war aufgedunsen und am heutigen Abend vom Alkohol gerötet. Nein, er war wahrlich kein Augenschmaus mehr. Er sprach noch immer, und ich glaube, außer meinem Großvater und meinem Vater hörte ihm niemand mehr zu. Er lachte herzhaft über einen seiner Witze, der sich ganz sicher nicht für die Ohren einer Jungfrau geziemte. Mein Blick wanderte zu Jacques, der mit mürrisch verzogenem Mund eine Blume auf dem Tisch böse fixierte, als wolle er sich jeden Moment mit ihr duellieren.
    „ Komisch“, dachte ich bei mir, „ein gelangweiltes und zorniges Kleinkind im Körper eines Mannes verliert doch wahrlich an Attraktivität.“
    Ganz erschrocken über meinen plötzlichen und für mich so untypischen Gedankengang schlug ich die Augen nieder. Ich schalt mich selbst ob dieser unschönen Gedanken und gelobte, ihm ein gutes und liebevolles Eheweib zu sein. Jacques würde sich schon an mich gewöhnen. Ich musste ihm zugestehen, dass auch er wahrscheinlich von seiner Familie überrumpelt worden war und war sogleich wieder milde gestimmt. Meine Blicke wanderten zu Daphne, seiner Mutter. Ich kann nicht behaupten, dass ich da eine Schönheit vor mir hatte. Trotzdem hatte sie etwas an sich, dass einen immer wieder zu ihr hinüberblicken ließ. Daphne Kastell-Paol war prächtig gekleidet und sie trug nur wenig Schmuck, den sie aber gekonnt eingesetzt hatte. Sie war recht klein und zierlich. Ihr dunkles Haar hob sich gekonnt von ihrem blutroten Abendkleid ab. Aber das war es nicht. Es war auch nicht ihr Teint, der nun, nach etlichen Gläsern Wein, unter der ganzen Schminke fleckig geworden war. Ihre Haut war es auch nicht. Im Gegensatz zu meiner Mutter war Daphne Kastell-Paol mit Falten übersät. Jedenfalls dort, wo ich es sehen konnte. Es waren ihre Augen. Ja genau, diese fast schwarzen Edelsteine in diesem faltigen Gesicht. Die Augen waren alt und müde, aber ich sah darin einen Rest von Wärme, ich sah Weisheit, ich sah ein bewegtes Leben. Daphne Kastell-Paol hatte nicht viel gesagt an diesem Abend. Sie schien in manchen Momenten nur körperlich anwesend zu sein, ihre Seele hatte die Wanderung aufgenommen zu einer schöneren Vergangenheit oder zu einer hoffnungsvolleren Zukunft. Sie erinnerte mich ein bisschen an mich selbst. Ihr Mann und ihr Sohn waren
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