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Dalamay (Mein Leben ging einen anderen Weg)

Dalamay (Mein Leben ging einen anderen Weg)

Titel: Dalamay (Mein Leben ging einen anderen Weg)
Autoren: Samarkand
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schlecht zu gehen. Wenn es mir möglich war, beobachtete ich diesen Mann, der mein Vater war. Und noch oft sah ich ihn im Laufe der Zeit in Zimmer n verschwinden, in denen er nichts zu suchen hatte. Aber die Geschichte Maries hat sich wohl nie wiederholt.
    Für die Tanzstunden und all die Fächer, in denen ich von Frauen unterrichtet wurde, wurden nun samt und sonders Männer eingestellt. Nur Lady Hillary und Mademoiselle Antoinette blieben als weibliche Lehrkräfte. Ich weiß nicht, vielleicht hatten sie nie etwas zu befürchten. Gesehen und gehört habe ich jedenfalls nie etwas.
     
    Mutter Natur hatte es gut mit mir gemeint und mir ein angenehmes Äußeres mit auf den Weg gegeben. Als kleines Mädchen eher niedlich anzusehen, war ich dann mit noch nicht ganz zwanzig zwar keine solche Schönheit wie meine Mutter, aber mit meinem dichten, langen, braungelockten Haaren und den großen haselnussbraunen Augen sah ich wirklich sehr hübsch aus. Ich war 1,70 m groß und damit ein wenig größer als meine Mutter, gertenschlank und laut der Aussage meiner Mutter gut gerundet. Laut Aussage von Sonja war ich eher spindeldürr. Ich hatte einen ebenmäßigen hellen Teint, war natürlich sehr gepflegt und meine Hände waren feingliedrig, mit schön geformten Fingernägeln. Ich jedenfalls war zufrieden mit mir.
     
    So also waren weitere Jahre ins Land gegangen und es war an der Zeit, mich mit einer guten Partie zu vermählen. Und für die gute Partie sorgte meine Familie, vornehmlich der Mann, der sich mein Vater nannte. Die gute Partie hieß Jacques Kastell-Paol. Jacques war gutaussehend, unglaublich gutaussehend sogar, erfolgreich, der Spross einer angesehenen und alteingesessenen Familie aus der Bretagne und reich war er, immens reich, aber kalt, so furchtbar kalt. Neunzehn Jahre war ich jung, als ich Jacques kennenlernte und zwanzig Jahre, als die Familien uns miteinander vermählten. Für mich war es so in Ordnung. Ich kannte nichts anderes. Die Familie Kastell-Paol war schon ewig im Bankgeschäft tätig und das sehr erfolgreich. Wie mir Sonja erzählte, waren mein Vater und Monsieur Kastell-Paol seit einigen Jahren Geschäftspartner und so passte es, dass zwei erfolgreiche Herren je ein Kind unterschiedlichen Geschlechts im heiratsfähigen Alter hatten. Jacques war fünfundzwanzig, als er mein Gemahl wurde.
     
    Es war bezeichnend für meine Familie, dass man mich erst unmittelbar vor dem ersten Zusammentreffen mit Jacques und seiner Familie, nämlich einen Tag vorher, darüber informierte, dass ich am nächsten Tag den Mann kennenlernen würde, der zu meinem Ehemann auserkoren war. Es war einer der wenigen Abende, an denen ich alleine mit meinen Eltern das Abendessen im kleinen Salon einnahm. Es ist nicht lohnenswert, dieses Gespräch, das gar keines war, hier wiederzugeben. Ich wurde darüber informiert, was am nächsten Tag geschehen würde und dass meine Großeltern, jedenfalls die Eltern meines Vaters, ebenfalls zu Besuch kommen würden, um den Familienzuwachs kennenzulernen.
    Mein neues Kleid würde noch heute geliefert werden und ich solle mich bitte für eine kurze Anprobe bereithalten. Liebenswerterweise wurden mir die Namen meines zukünftigen Ehemanns und meiner Schwiegereltern mitgeteilt. Mit diesen kargen Informationen wurde ich in meine Räumlichkeiten geschickt, um mein neues Kleid anzuprobieren. Die Schneiderin war mir beim Ankleiden behilflich. Es war ein traumhaft schönes Kleid, das in verschiedenen Brauntönen schimmerte und mir und meiner Figur sehr schmeichelte. Ja, meine Frau Mutter war wirklich sehr stilsicher, was ihre und auch meine Garderobe betraf. Auch dieses Kleid hatte natürlich sie ausgesucht. Dass ich selbst etwas aussuchte und eine Entscheidung traf, hatte eher Seltenheitswert in meinem Leben. Aber es war so in Ordnung für mich. Ich kannte es nicht anders. Also stellte ich die Wahl meines Kleides genauso wenig in Frage wie die Wahl meines Zukünftigen.
     
    Und das Wenige, das ich mehr erfuhr, hatte ich von Sonja. Viel war es nicht, aber irgendein Bediensteter unseres Hauses wusste immer irgendetwas und zumeist landete dieses Irgendetwas bei Sonja und wenn Sonja gut gelaunt war, gab sie mir gegenüber ein wenig preis. Und zur Zeit war sie recht gut gelaunt, da sie, wie ich versteckt in der Speisekammer, als ich mir ein Stück Geräuchertes stibitzen wollte, mitbekommen hatte, regelmäßig und ausdauernd von ihrem Herrn, meinem Vater, bestiegen wurde. So lauteten ihre eigenen Worte
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