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Dalamay (Mein Leben ging einen anderen Weg)

Dalamay (Mein Leben ging einen anderen Weg)

Titel: Dalamay (Mein Leben ging einen anderen Weg)
Autoren: Samarkand
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Vielleicht, wenn meine Mutter netter zu ihr gewesen wäre. Aber Mutter war nicht nett zu ihr. Sie war überhaupt nie wirklich nett. Heute sage ich, sie war eine unzufriedene Frau, eine traurige Frau. Und noch einiges anderes. Und heute, ja heute weiß ich über vieles viel besser Bescheid als damals. Wenn auch spät, so doch noch früh genug. Wenn auch bei uns daheim nie jemand wirklich nett war, es keine Herzlichkeit und Wärme gab, so wusste ich doch schon in sehr jungen Jahren, dass Männer und Frauen außer gemeinsam zu tanzen gewisse andere Dinge miteinander taten.
     
    Eines Nachts, ich war gerade einmal sechs Jahre alt, konnte ich nicht schlafen, weil ich so durstig war. Mein Glas auf meinem weiß lackierten Nachttischchen war schon leer und so stieg ich aus dem Bett und schlüpfte in weiche weiße und handgenähte Pantöffelchen. Es war hell genug, denn der Mond schien in die Fenster des Hauses und so brauchte ich kein weiteres Licht. Ich öffnete meine Zimmertür und ging von dort einen kleinen Gang entlang zu Sonjas Zimmer. Kurz vor ihrer Zimmertür hörte ich ungewöhnliche Geräusche. Seufzer und dann ein lautes Stöhnen drangen durch die Tür zu mir auf den Flur. Ich bekam einen großen Schreck und dachte, dass Sonja vielleicht krank geworden sei. Ganz leise drückte ich die Klinke der Tür hinunter und öffnete sie einen Spalt. Das Zimmer war zusätzlich zum Mondenschein mit einigen Kerzen erleuchtet und geradeaus konnte ich das Bett von Sonja sehen. Sie lag auf ihrem Bett, aber nicht allein. Ich sah auch meinen Vater. Beide waren ganz nackt. Ich fand, dass mein Vater ohne Kleidung komisch aussah. Oben herum war er ganz platt, aber weiter unten erhob sich ein Stück, mit dem er Sonja immer wieder anstieß und immer wieder zu ihr sagte: „Komm, einmal noch. Noch einmal.“ Sonja antwortete nicht, sie rutschte nur auf ihrem Bett tiefer nach unten, winkelte die gespreizten Beine an, mein Vater legte sich auf sie und dann konnte ich dieses Stück nicht mehr sehen. Dafür fingen beide an, sich ganz komisch hin und her zu bewegen. Beide hatten die Augen geschlossen. Die zwei nackten Leiber klatschten heftig aneinander und ich musste unwillkürlich an unsere Waschfrau denken, wenn diese die nasse Bettwäsche auf die Steine schlug, um sie ganz besonders sauber zu bekommen. Ich hatte das Gefühl, dass ich jetzt nicht stören sollte. Ganz leise schloss ich die Tür. Die mir schon bekannten Seufzer und das Stöhnen begleiteten mich auf meinem Weg zurück in mein Zimmer. Durstig legte ich mich schlafen. Natürlich habe ich nie etwas gesagt. Schweigen war für mich das oberste Gebot. Es war für mich so in Ordnung. Ich kannte es nicht anders.
     
    Für Anstand, gutes Benehmen und ausreichendes Wissen sorgten Privatlehrer. Eine Mademoiselle aus Paris unterrichtete mich in der französischen Sprache, die ich schon früh fließend in Wort und Schrift beherrschte. Die Mademoiselle aus Paris, Antoinette war ihr Name, aber ich sprach sie selbstverständlich immer mit Mademoiselle an, und eine Lehrerin namens Lady Hillary aus London unterrichtete mich in Anstand und gutem Benehmen. Lady Hillary war viel älter als die Mademoiselle, und ich lernte bei ihr ein wenig Englisch. Lady Hillary war sehr streng. Wenn ich bei ihr zur englischen Tea-Time, gereicht mit feinen englischen Biskuits, die Tasse nicht richtig in meiner Hand hielt, gar etwas Tee verschüttete, gab sie mir die Anweisung, die Tasse des extra aus einer Manufaktur in England bestellten Service abzustellen, meinen rechten Arm auszustrecken, und dann schlug sie mir mit ihrer flachen Hand immer und immer wieder auf meine Hand und auf meinen Arm und sagte zu mir, dass ich dummes deutsches Gör zu blöd für die feinen englischen Sitten sei. Ich ließ es über mich ergehen und mit der Zeit verschüttete ich keinen Tee mehr und konnte die Tasse nach feiner englischer Art in meiner Hand halten und das sogar viel gezierter als Lady Hillary. Sie schlug dann zwar nicht mehr auf meine Hand, denn dazu hatte sie ja keinen Grund mehr, aber ihre bösen Blicke trafen mich bis ins Mark.
     
    Herr Brahmann unterrichtete mich in Deutsch und in naturwissenschaftlichen Fächern. Diese Fächer allerdings wurden mehr am Rande unterrichtet. Eine Frau brauchte darüber nicht viel zu wissen. Allerdings kann ich mich gut daran erinnern, dass die Unterrichtsstunden bei Herrn Brahmann immer die angenehmsten waren. Er erzählte mir ab und zu lustige Geschichten von der Straße oder aus
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