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Hesse-ABC

Hesse-ABC

Titel: Hesse-ABC
Autoren: Gunnar Decker
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Leben und Werk Hermann Hesses (1877-1962) ist bis heute
    immer wieder zum Gegenstand mannigfaltiger Deutungen
    geworden. Die einen sehen in ihm den Begründer einer
    neuen romantischen Bewegung, den Wegbereiter der an-
    tibürgerlichen Revolten des späten 20. Jahrhunderts; an-
    deren galt er als »Innerlichkeitsromancier«, wie es
    Gottfried Benn einmal formulierte.
    Das Hesse-ABC zeichnet die Symbiose von Leben und
    Werk anhand einer Reihe von alphabetischen Stichworten
    nach. Der feuilletonistische Stil der Beiträge macht das
    Hesse-ABC zu einem kurzweiligen Nachschlagewerk und
    Lesebuch für all jene, die mehr über den Autor, seine Mo-
    tive und Positionen erfahren wollen.

    Gunnar Decker, geboren 1965, lebt als freier Publizist in
    Berlin. Zuletzt veröffentlichte er zusammen mit Kerstin
    Decker Gefühlsausbrüche oder Ewig pubertiert der Ost-
    deutsche, 2000.

    Gunnar Decker
    Hesse-ABC

    R E C L A M
    L E I P Z l G

    Besuchen Sie uns im Internet: www.reclam.de

    © Reclam Verlag Leipzig 2002

    Reclam Bibliothek Leipzig, Band 20035, 1. Auflage, 2002

    Reihen- und Umschlaggestaltung:
    Gabriele Bürde | Kurt Blank-Markard unter Verwendung von Fotos
    aus Volker Michels »Hermann Hesse. Leben und Werk im Bild«,
    Insel-Taschenbuch 1973. © Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main
    Gesetzt aus ITC Slimbach
    Satz: Reclam Verlag Leipzig
    Druck und Bindung: Reclam, Ditzingen
    Printed in Germany

    ISBN 3-379-20035-2

    Dem Andenken Hugo Balls
    Porträt des Künstlers als ewiges Kind
    Da machte ich mich klein und ging in mein Bild hinein, stieg
    in die kleine Eisenbahn und fuhr mit der kleinen Eisenbahn
    in den schwarzen kleinen Tunnel hinein. Eine Weile sah man
    noch den flockigen Rauch aus dem runden Loche kommen,
    dann verzog sich der Rauch und verflüchtigte sich und mit
    ihm das ganze Bild und mit ihm ich. In großer Verlegenheit
    blieben die Wärter zurück.
    Kurzgefaßter Lebenslauf

    Wer wann gerade Mode ist, entscheiden immer die Siebzehnjähri-
    gen. Als ich siebzehn war, stand Hesse bei uns ganz hoch im Kurs.
    Fast so hoch wie Leonhard Frank. Der ist im Moment überhaupt
    nicht Mode; aber ist es Hesse? Sicherlich weniger, als es zu Be-
    ginn des 20. Jahrhunderts der romantische »Camenzind«-Hesse
    war, und weniger auch als bei den 68ern der ewig revoltierende
    »Steppenwolf«-Hesse. Womit schon gesagt ist, daß Moden immer
    Zeitgeistprojektionen sind, die zwar dem Verkauf viel, der Literatur
    aber wenig nutzen. Eher im Gegenteil. Moden bedeuten das, was
    nach Rilke der Ruhm überhaupt bedeutet: die Summe aller Miß-
    verständnisse zu sein, die sich um einen großen Namen ranken.
    Also doch besser nicht Mode sein? Moden fokussieren den Blick,
    sie konzentrieren ihn auf etwas, aber sie verflachen ihn zugleich.
    Manche sagen: Hesse? Früher hab' ich den mal gelesen, aber heu-
    te nicht mehr. Der ist doch sentimental, der ist doch Kitsch. Eine
    ganze konservative Literaturkritik hat in den fünfziger Jahren die-
    ses Bild verbreitet. Sie berief sich dabei auf Gottfried Benn, der
    1946 sehr kalt über seinen wenig geschätzten Kollegen urteilte:
    »Hesse. Kleiner Mann. Deutsche Innerlichkeit, der sich schon ko-
    lossal vorkommt, wenn irgendwo ein Ehebruch erlitten oder ge-
    startet wird. In der Jugend einige hübsche klare Verse. Spezi von
    Thomas Mann. Daher der Nobelpreis, sehr treffend und passend
    innerhalb dieses moddrigen Europa.« Besteht unsere Gesellschaft
    mittlerweile vielleicht aus lauter Trivial-Benns? Kaltschnäuzig und
    überheblich? Gänzlich desinteressiert am Menschen? Und gerade
    Hesses »Talent zum Menschen« ist es ja, das denjenigen faszi-
    niert, der zu Faszination fähig ist. Das Bennsche Verdikt sagt es
    auf drastische Weise: Hesse galt zwischen 1950 und 1965 als ein
    mit viel – versteckter oder offener – Herablassung zu lobender
    Erbauungsdichter für sentimentale Gemüter und wurde ausgiebig
    belächelt. Joachim Kaiser erinnert sich daran. Als der amerikani-
    sche Skandalautor Henry Miller ihm 1960 sagte, er schätze Hesse,
    »... hielt ich das für ein Zeichen offenbarer Senilität, erzählte es
    schadenfroh in Hamburg weiter und alle, alle grinsten über den
    alten Miller«. Daß diese Geringschätzung einer (über-)eifrigen
    Bewunderung wich, lag auch an den Studentenprotesten von
    1968, die zu einem Mentalitätenwechsel der alten Bundesrepublik
    führten – und plötzlich zählte Hesse, zum Edel-Anarchisten
    (v)erklärt, mehr als sein Verächter Benn. Aber zuvor hatte die LSD-
    Szene
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