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Hesse-ABC

Hesse-ABC

Titel: Hesse-ABC
Autoren: Gunnar Decker
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voller Lust.
    A
    Abraxas
    Ein mythischer Ur-Vogel, heimlicher Hauptheld im ↑ » Demian «. Er ist der Schöpfungsgrund für alles, was wird. Alles meint hier nicht
    nur Gott, auch Teufel, nicht nur das Gute, auch das Böse, nicht
    nur das Schöne, auch das Häßliche, nicht nur das Licht, auch das
    Dunkel, nicht nur die Ordnung, auch das Chaos, nicht nur die helle
    Vernunft, auch die blinde Begierde, nicht nur das Aufbauende,
    auch das Zerstörerische ...
    Abraxas ist ein ↑ Vogel nach dem Geschmack der Gnostiker. Für Hesse im »Demian« wird Abraxas zum Symbol des Rätselhaften,
    das sich in seiner Auflösung sofort wieder neu verrätselt: das
    ewige Ur-Bild des Künstlers. Ein geflügeltes Zwischenwesen, des-
    sen Zweck es ist, hervorzubringen, was hervorgebracht werden
    will. Ein dialektisches Flug-Bild, das sein Wesen in der Verwand-
    lung offenbart und verbirgt zugleich. Abraxas symbolisiert den
    unauflöslichen Widerspruch unserer Existenz: zu leben und doch
    auf den Tod hin.
    Jeder trägt Abraxas in sich. Auch Demians Suche nach Abraxas
    endet bei sich selbst: »Ich wollte ja nichts als das zu leben versu-
    chen, was von selber aus mir herauswollte. Warum war das so
    schwer?«

    Abstammung
    Wie Nietzsche großen Wert darauf legte, von polnischem Adel
    abzustammen, wiederholte auch Hesse immer wieder, wie ver-
    schieden an Nationalität seine Großeltern waren. Väterlicherseits
    waren es Balten. Sie lebten in Estland, der russischen Ostseepro-
    vinz. Sie wanderten 1750 aus Lübeck ein, sprachen kaum Russisch
    und Estnisch, aber besaßen die russische Staatsangehörigkeit. Der
    Großvater Dr. Hermann Hesse praktizierte als Arzt. Hier kam auch
    der Vater Johannes Hesse zur Welt. Dieser verließ als Student
    seine Heimat, »infolge einer plötzlichen Bekehrung und Zerknir-
    schung«, und ließ sich in Basel zum Missionar ausbilden. Er kam
    nach Indien, konnte aber das Klima nur ein Jahr vertragen und
    kehrte in die Baseler Mission zurück. Dort arbeitete er als Lehrer
    und Redakteur einer Missionszeitschrift. Schließlich wurde Jo-
    hannes Hesse dem Missionar Dr. Gundert in Calw als Gehilfe zu-
    geteilt und lernte dabei dessen Tochter Marie kennen, die er - in
    gleichem pietistischen Ehrgeiz vereint - bald darauf heiratete. Die-
    ser Hermann Gundert war ein ungewöhnlicher Mann. Ein großer
    Sprachkenner, besonders des Sanskrit. In seiner Jugend war er
    bekehrt worden, »nachdem er vorher ein strahlender, geniali-
    scher, hegelianisch angehauchter, höchst musikalischer, stark
    humoristisch begabter Student gewesen war«. Die eskapadische
    Jugend dieses Großvaters mütterlicherseits, Hermann Gundert,
    war es dann später auch, die Hesse, als er gegen die Schule, den
    Pietismus und die Eltern rebellierte, vor dem Schlimmsten be-
    wahrte. Aus dem Großvater war ja auch noch was geworden,
    konnte sich die Familie angesichts des halbstark auftrumpfenden
    Hesse beruhigen. In Calw wurde dann am 2. Juli 1877 Hermann
    Hesse geboren. Und welcher Nationalität war das Kind? Hesse
    rückblickend: »Welches damals meine Staatsangehörigkeit war,
    weiß ich nicht, vermutlich Russe, denn mein Vater war russischer
    Untertan und hatte einen russischen Paß. Die Mutter war Tochter
    eines Schwaben und einer französischen Schweizerin. Diese ge-
    mischte Herkunft verhinderte mich, je viel Respekt vor Nationa-
    lismus und Landesgrenzen zu haben.« Hermann Hesse wuchs also
    in eine Allianz des pietistischen Missionarsgeistes hinein, von
    dem er sich zuerst einmal energisch befreien mußte, um er selbst
    zu werden. Doch hat er später viel und nicht ohne Liebe und Mit-
    leid an seine Eltern gedacht. Denn irgendwann mußte auch er es
    sich eingestehen: er war ihnen ähnlicher, als er es sein wollte.
    Vom Vater habe er einen Teil seines Temperaments geerbt, »das
    Verlangen nach Unbedingtheit, die Anlage zur Skepsis, Kritik und
    Selbstkritik, von ihm namentlich auch den Sinn für Präzision im
    sprachlichen Ausdruck«. Mit der Mutter verbinde ihn »die Leiden-
    schaftlichkeit des Temperaments«, eine »heftige, sensationslusti-
    ge Phantasie, außerdem die musikalische Begabung«. Um so
    mehr muß es Hesse geschmerzt haben, daß gerade die Mutter
    seinen ersten Gedichtband, die »Romantischen Lieder«, mit Un-
    verständnis behandelte. Die Mutter stirbt 1902, der Vater lebt bis
    zu seinem Tod 1916 in der Herrnhuter Gemeinde in Korntal. Hesse
    notiert beim Anblick des toten Vaters: »... er schien mit tiefem,
    innigem Erstaunen der
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