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Dalamay (Mein Leben ging einen anderen Weg)

Dalamay (Mein Leben ging einen anderen Weg)

Titel: Dalamay (Mein Leben ging einen anderen Weg)
Autoren: Samarkand
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gehen. So hörte ich es von der Küchenmagd, als ich versteckt in der Speisekammer heimlich ein kleines Cremetörtchen verspeiste.
    So ging ich meinem zwanzigsten Lebensjahr entgegen. Ich wurde noch immer unterrichtet, um nun den letzten Schliff zu erhalten. Sonja erzählte mir, dass Lady Hillary nach meiner Vermählung in ihre Heimat zurückkehren würde, sie hatte in der Nähe von London eine Schwester, bei deren Familie sie sich gegen kleine Hilfestellungen im Haushalt einen Altersruhesitz einrichten konnte. Obwohl ich Lady Hillary nicht sonderlich mochte, hatte ich doch ihre Schläge nie vergessen, freute es mich für sie, dass sie in ihre Heimat zurückkehren konnte. Es überraschte und freute mich gleichermaßen, die Neuigkeit von Sonja zu vernehmen, dass Herr Brahmann und Mademoiselle Antoinette nach meinem Umzug heiraten und ein kleines Häuschen in der Nähe von Saarlouis beziehen würden. Mein Vater hatte sich wohl als recht großzügig erwiesen.
    Eines Abends, das Osterfest war gerade vorüber, sprach ich Sonja, die gerade die Vorhänge im meinem Schlafzimmer zuzog, a n. „Sonja, was wirst Du machen, wenn ich nicht mehr da bin? Kannst Du bleiben? Vielleicht hat Mutter ja eine andere Aufgabe für Dich?“
    Es war nicht böse gemeint, aber es war eine Frage der Zeit, bis Sonja in die Jahre kommen würde und dann würde zumindest mein Vater ihre Dienst e nicht mehr benötigen, hatte ich doch schon seit ein paar Monaten nichts mehr gehört. Sie schaute mich traurig lächelnd an. „Mademoiselle Antoinette war so nett und hat mir eine Stelle als Gesellschafterin bei zwei älteren Schwestern hier in Saarlouis vermittelt. Dort werde ich es gut haben mit einem schönen und warmen Zimmer und reichlich Essen. Ich bin ihr wirklich dankbar, denn wo sollte ich sonst noch hin? Eine Familie habe ich nicht und für die Straße bin ich zu alt. So ist das die beste Lösung.“ Ich nickte ihr beruhigt zu und sinnierte so für mich, was zu alt für die Straße wohl bedeuten mochte. Ich konnte damit nichts anfangen und zu fragen traute ich mich nicht. Meine Gedanken gingen dann in die Richtung, dass es für Sonja bei den Schwestern des Nachts wohl etwas einsamer sein würde als in unserem Haus, wenn man von den letzten Monaten einmal absah. Mehr sprach sie nicht, kreisten auch ihre Gedanken wohl um das gleiche Thema wie bei mir.
    Kurz vor der erneuten Anreise der Familie Kastell-Paol, nämlich zur Hochzeit ihre s jüngsten Sohnes mit mir, ergab sich für mich noch einmal die Gelegenheit, das Haus für mich allein zu haben. Ich hing nicht besonders an diesem Haus, ich wohnte hier, ich lebte hier, hier lernte und speiste ich. Nicht mehr und nicht weniger. Noch einmal betrat ich wie damals schon das Herrenzimmer, lauschte, ob auch nichts zu hören sei, und ging noch einmal zu dem großen Schreibtisch meines Vaters. Das Zimmer hatte sich in keinster Form verändert. Es hingen noch immer die gleichen Gardinen vor den Fenstern, noch immer lagen die gleichen Teppiche auf dem Boden und noch immer war der Schreibtisch so voll mit Briefen und Zeitungen wie damals. Und wie damals versuchte ich eine Schreibtischschublade nach der anderen zu öffnen, ohne Erfolg, denn dieses Mal waren sie alle verschlossen. Ich weiß nicht, warum ich überhaupt dieses Zimmer betreten hatte, warum überhaupt ich versuchte, im Schreibtisch meines Vaters etwas zu finden. Aber noch war ich nicht bereit, dieses Zimmer zu verlassen. Ich kann nicht sagen, warum. Es war, als ob eine innere Stimme mir zuflüsterte: „Bleib. Bleib noch ein wenig und suche weiter.“ Ich schaute mich im Zimmer um, sah die auf den Gemälden abgebildeten Gesichter an den Wänden, die mich anschauten. Mein Blick blieb an einer kleinen Kommode hängen, die zwischen zwei großen Fenstern stand. Sie sah geschlossen und aufgeräumt aus und doch zog es mich gerade zu dieser Kommode. Ich folgte meinem inneren Ruf und ging zu der Kommode hinüber. Aber es waren alle Schubladen geschlossen. Noch einmal zog ich an allen Griffen, aber nicht eine der Schubladen ließ sich öffnen. Wieder hatte ich das Gefühl, dass eine innere Stimme zu mir sprach: „Such weiter, taste die Kommode ab.“ Es war wie ein innerer Zwang und ich ließ mich auf die Knie nieder, strich entlang der Seiten der Kommode. Ich konnte nichts fühlen. Ich tastete, soweit ich konnte, an der Rückseite der Kommode entlang. Nichts. Jetzt blieb mir nur noch der Boden der Kommode und ich fühlte mit meiner Hand, ob ich dort eine
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