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Dalamay (Mein Leben ging einen anderen Weg)

Dalamay (Mein Leben ging einen anderen Weg)

Titel: Dalamay (Mein Leben ging einen anderen Weg)
Autoren: Samarkand
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Gegenwart zu unterscheiden. Zu verwirrt war mein Geist.
    Da! Schon wieder diese Geräusche. Sie kamen direkt aus dem Dickicht aus grünen Blättern. Langsam und vorsichtig ging ich zu dem Blätterwall und blieb unschlüssig davor stehen. Jetzt war kein Geräusch mehr zu hören. Nur Stille. Selbst das Gezwitscher der Vögel war verklungen. Ganz langsam streckte ich meinen linken Arm vor, um einige Blätter beiseite zu schieben. Doch bevor ich auch nur eines der grünen Blätter berühren konnte, hörte ich erneut ein leises Schnauben und warmer Atem umhüllte meine Hand. Mein Körper erzitterte. Todesmutig streckte ich nun schnell beide Arme vor und teilte die Blätter, um nun endlich zu sehen, was sich dahinter verbarg.
     
    Und da stand er. Groß, prächtig, sein Fell glänzend, so stand er auf einer Lichtung und schaute mit seinen großen Augen in meine Richtung. Ich konnte meinen Augen kaum glauben, meine Knie zitterten. Ich wusste kaum noch, wo oben und unten, wo rechts und links war. Aber er stand dort. Der große, wunderschöne Stier, der mich mit in die Lüfte genommen hatte. Schlief ich noch tief und fest und der Traum hatte mich noch einmal fest umarmt oder befand ich mich, es war für mich unmöglich, es zu glauben, in einer anderen Welt?
    Das Letzte in meinen Traum, woran ich mich erinnern konnte, war, dass der Stier sich mit mir in die Lüfte hoch über den Atlantik erhoben hatte und dass ich, wie alle anderen Menschen, die auf den Höhlenreliefs dargestellt wurden, völlig unbekleidet war. Zutiefst erschrocken sah ich nun an mir herab. Und genau so, wie ich unbekleidet meinen Traum beendet hatte, fand ich mich ebenso unbekleidet in der Fortsetzung wieder. Ich hielt die Blätterwand dicht vor meinem Körper, so dass nur mein Gesicht zu sehen war. Jedenfalls hoffte ich es. Er stand dicht vor mir, nur wenige Zentimeter von mir entfernt und sein warmer Atem streichelte noch immer meinen Körper durch die dichten Blätter hindurch. So schauten wir uns lange Zeit an.
     
    Und dann, während eines nur einen Lidschlag dauernden Augenblicks war der Stier verschwunden und an seiner Stelle, immer noch dicht bei mir, stand Gavin. Gavin aus der Höhle. Gavin mit der leisen, melodiösen Stimme. Gavin, der Befreier.
    Ohne ein Wort zu sagen , griff er mit der rechten Hand durch die Blätter hindurch und ergriff meinen rechten Arm und zog mich sanft zu sich. Das Blattwerk streichelte sanft meinen Körper. Mein mir anerzogener Anstand sagte mir, dass ich mich wehren müsste, aber ich konnte nichts tun. So wie Gott mich geschaffen hatte, stand ich nun vor Gavin. Wir sprachen immer noch kein Wort. Er nahm seinen Umhang und legte ihn mir sanft über die Schultern. Meine Gedanken rasten. Träumte ich? War ich wach? Was hatte das alles zu bedeuten? Gavin nahm mich nun bei der Hand und ging mit mir weiter weg vom Meer. Noch immer sprachen wir kein Wort.
    Verstohlen musterte ich ihn von der Seite. Wie in der Nacht zuvor konnte ich auch jetzt sein Gesicht nicht sehen. Seine Hände aber waren so sanft, feingliedrig und schön wie in meinen Traum. Er selbst trug jetzt einen langen hellen Umhang mit Kapuze. Er war schmal gebaut, strahlte jedoch eine Macht aus, die ihn so groß erschienen ließ, wie ich es noch nie bei einem Menschen erlebt hatte.
    Wir waren noch nicht weit gelaufen, als wir auf eine weitere Lichtung kamen. Dort war auf dem Boden eine flauschige Decke ausgebreitet, auf der sich unzählige Leckereien für ein Frühstück befanden. Plötzlich spürte ich einen Hunger, wie ich ihn bisher noch nicht gekannt hatte. Hunger in meinem Bauch, Hunger auf das Leben, auf die Liebe. War doch alles kein Traum gewesen? Ich hatte keine Antwort. Aber im Moment hatte das alles auch keine Bedeutung für mich.
    Gavin führte mich zur Decke, wo wir uns niederließen. Mit seinen schönen Händen griff er nach einem gläsernen Kelch, in den er eine tiefrote Flüssigkeit goss, die aussah wie ein erlesener Wein aus roten Trauben. Er reichte mir den Kelch . „Trink, stille Deinen Durst und Deinen Hunger. Dann werden wir reden.“
    Ich setzte den Kelch an meine Lippen. Es war kein Wein, den ich trank, sondern ein Saft, den ich nie zuvor in meinem Leben gekostet hatte. Süß und fruchtig zugleich. In einem Zug leerte ich durstig den Kelch, den Gavin sofort wieder füllte. Ich probierte von allen Speisen, die so appetitlich angerichtet bereitlagen. Als ich mir die zweite mit Gemüse gefüllte kleine Blätterteigtasche nahm, sah ich zu Gavin
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