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Dalamay (Mein Leben ging einen anderen Weg)

Dalamay (Mein Leben ging einen anderen Weg)

Titel: Dalamay (Mein Leben ging einen anderen Weg)
Autoren: Samarkand
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entgegenzutragen. 
     
    „ Meinen Namen wollt Ihr wissen? Mein Name ist nicht wichtig. Nur eines ist wichtig: Ich holte mir das Leben. Endlich! Ja, und seinen Namen wisst Ihr. Lasst Euer Leben nicht von anderen bestimmen, so wie ich es getan habe. Seid Euch früh genug bewusst, dass Ihr eine eigene Stimme und ein eigenes Schicksal habt.“

Kapitel 4
    Die Île de Seine
     
    Leises, doch anhaltendes Vogelgezwitscher ließ mich aus einem tiefen Schlaf erwachen. Noch ganz benommen, stiegen langsam die Erinnerungen an einen Traum hoch, in dem ich in einer Höhle genächtigt und mit einem Mann, den ich nicht kannte und auch nicht erkennen konnte, die Erfahrungen meines dürftigen Lebens geteilt hatte. Langsam drang sein Name in mein Gedächtnis. Gavin. Ja genau, Gavin, so lautete sein Name. Langsam öffnete ich die Augen und konnte mich an jedes Wort unseres Gesprächs erinnern. Zum ersten Mal in meinem Leben war es nicht nur um einzelne Etappen meines Lebens gegangen, sondern ich hatte alles erzählt. Von meinem Schmerz, meiner gefühlten Lieblosigkeit, meiner Einsamkeit, meiner Unfähigkeit …
    Einem Fremden hatte ich mich offenbart. Ein Lächeln huschte in meiner Schläfrigkeit über mein Gesicht. Ich fühlte mich so gut, so frei, so eingebunden. Eingebunden? In was eingebunden?
    Noch ein paar Minuten wollte ich mich diesem Gefühl hingeben, wollte mich an diesen so wundersamen Traum erinnern und in dem Gefühl schwelgen, dass sich doch alles noch ändern könne.
    „Ja, ich bin bereit“ , hauchte ich, als ich mich für noch einen Moment in mein weiches Kissen kuscheln wollte. Aber … da war kein Kissen. Es war etwas Weiches, auf dem meine Wange lag, aber es war kein Kissen. Ich griff, immer noch vom Schlaf benommen, nach meiner Bettdecke, die mir während der Nacht wohl vom Bett gerutscht war. Aber da war auch keine Bettdecke und da war auch kein Abstand zwischen meinem Bett und dem Boden. Mit einem Mal war jede Schläfrigkeit verschwunden und ich schlug die Augen vollends auf. Ich setzte mich auf und sah mich um.
    Ich lag auf einem weichen Bett aus Moos und Gras. Über mir die Kronen von Bäumen, die den Wind, der vom Meer herüberwehte, abhielten, aber genug Platz ließen, damit die Sonne mich wärmen konnte.
    Wo war ich? Wie war ich hierhergekommen? Ich erinnerte mich an meinen Traum, erinnerte mich an die Höhle, an mein Gespräch dort mit Gavin, an meine Tränen, an das Schnauben und Stampfen, als ich aus der Höhle ging. Erinnerte mich an die Plattform, an meinen begonnen Aufstieg zurück zu meinem Turm. Und dann daran, was mich umschauen ließ, als ich gerade ein paar Stiegen hinaufgeklettert war. Da war dieser Stier. Da war ich. Da war kein Boden mehr unter meinen Füßen. Da war die Stimme des Stiers:
    „Ich bin der Befreier dieser Höhle.“
    Das konnte doch nicht wahr sein. Ich hatte einen Traum, alles andere wäre doch völlig absurd. Wundervoll, aber doch völlig unmöglich. Aber wie kam ich hierhin? Ganz sicher war ich in keinem Teil des Gartens der zum Herrenhaus Kastell-Paol gehörte. Ein banges Gefühl nahm Besitz von mir. Was sollte ich jetzt nur tun? Wie sollte ich ungesehen ins Haus kommen?
    Da, schon wieder. Ich hörte Schnauben und Stampfen. Genau so wie in meinem Traum. Schnell erhob ich mich von meinem nächtlichen Lager und schaute mich um. Auf den ersten Blick konnte ich außer dichtem grünem Blattwerk auf der einen Seite und dem Meer auf der anderen Seite nichts sehen. Und doch …
    A ber wie konnte das sein? Die Realität des Anblicks, der sich mir bot, während ich mich um meine eigene Achse gedreht hatte, war nicht wirklich zu mir durchgedrungen. Langsam drehte ich mich zurück und schaute über das Meer und hatte das Gefühl, meinen eigenen Augen nicht trauen zu können. Ich fühlte mich wie in einer verkehrten Welt. So, wie ich sonst tagtäglich zur Île de Seine hinübergeschaut hatte, so erblickte ich jetzt in der Ferne das Herrenhaus derer von Kastell-Paol. Ich sah auch meinen Turm und konnte erahnen, welches der Fenster zu meinem Schlafzimmer gehörte. Ich fühlte mich wie Alice im Wunderland. Während ich über das Meer noch auf meinen Turm starrte, hörte ich hinter mir wieder ein deutliches Stampfen und Schnauben. Schnell drehte ich mich um. Nichts war zu sehen. Wieder hörte ich die Geräusche. Deutlich und ganz nah. War es der Stier, der mir in der letzten Nacht im Traum erschienen war? Es war mir nicht möglich, zwischen Traum und Wirklichkeit, Vergangenheit und
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