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Dalamay (Mein Leben ging einen anderen Weg)

Dalamay (Mein Leben ging einen anderen Weg)

Titel: Dalamay (Mein Leben ging einen anderen Weg)
Autoren: Samarkand
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weiterer Menschenbilder. Und wenn Du Dich für das Neue entscheidest, wird diesen Menschenbildern ein weiteres hinzugefügt werden. Nämlich Dein Bild.“
    Ich lehnte mich erschöpft an die Felswand hinter mir. So viele Emotionen durchströmten mich. Freude, Erregung, Trauer, Neugierde und auch Angst. Wobei ich mich des Gefühls nicht erwehren konnte, dass die Angst überwog. Meine Gedanken überschlugen sich. Was würde geschehen, wenn ich mich gegen einen Neuanfang entschied ? Und was würde geschehen, wenn ich …?
    Gavin nahm meine Gedanken wohl wahr, denn er fasste mich sanft an den Oberarmen und begann erneut zu sprechen. „Dein Zaudern ist nur natürlich, mein Kind. Du bist in ein Leben hineingeboren worden, wo Du immer das Gefühl hattest, dass niemand sich für Dich wirklich interessieren würde.“
    Sehr z ögerlich nickte ich.
    Nach einer kurzen Pause ergriff Gavin wieder das Wort.
    „ Diese Menschen um Dich herum und wiederum deren Leben waren oder sind, je nachdem, wie Du Dich entscheiden wirst, Dein Schicksal. Du hättest anders reagieren können; hättest aufmüpfig sein oder darum kämpfen können, Dir Gehör zu verschaffen.“ Der Druck seiner Hände auf meinen Armen verstärkte sich für einen kurzen Moment.
    „Ich meine damit nicht, dass Dein Leben dann einfacher gewesen wäre. Vielleicht aber auch doch. Auf alle Fälle wäre es erfüllter und aufregender gewesen.“
    Ganz leise flüsterte ich: „Aber ich kannte es doch nicht anders. Niemand war da, der es mich hätte lehren können.“
    „Doch“, widersprach Gavin vehement. „Du hättest es Dir beibringen können. Du hättest ausbrechen können aus diesem Leben. Wie gesagt, einfacher wäre es dann vielleicht nicht gewesen, aber doch ganz anders.“
    Seine Stimme, nun wieder leise, erklang erneut . „Aber das alles macht nichts. Jetzt bist Du hier und Du bist nicht allein. Wirst nie das Gefühl empfinden, allein zu sein. In Deinem bisherigen Leben widerfuhr Dir aber trotzdem einmal das Gefühl von inniger Freundschaft und auch das Gefühl, für andere Menschen da zu sein.“
    Ich schaute in Richtung von Gavins Gesicht, das durch die große Kapuze, die er sich über den Kopf gezogen hatte, nicht einmal annähernd zu erkennen war. Im Moment war ich viel zu verwirrt , um zu begreifen, was er meinte.
    Seine Stimme flüsterte mir zu: „Denke an maman Sofie.“
    Sofort durchströmte mich ein unendliches Glücksgefühl, das ganz schnell von einer tiefen Trauer verdrängt wurde. Maman Sofie, meine Freundin, gab es nicht mehr. Tränen rannen ganz plötzlich meine Wangen hinab.
    „Sie hat ihre Lebensaufgabe erfüllt. Sie hatte ein gutes und erfülltes Leben und konnte noch einmal der tiefen Trauer in ihrem Herzen Luft machen. Gegenseitig habt Ihr Euch gestützt, wart füreinander da.“
    Eine kleine Pause entstand.
    „Und glaube mir nur, sie hat nichts gespürt und all die anderen auch nicht. Sie haben tief und fest geschlafen und sind während des Schlafs erstickt, bevor das Feuer ihre Körper erreichte.“
    „Woher weißt Du das? Wer bist Du?“, fragte ich ihn wieder. „Was bist Du?“
    Im Nachhinein kann ich nicht mehr sagen, ob ich in diesem Moment Angst empfand. Doch kann ich mich erinnern, dass ich Dankbarkeit empfunden habe. Dankbarkeit dafür, dass maman Sofie, ihre Schwester und all die anderen Bewohner dieses Hauses nicht in Angst und Panik ihr Leben verloren hatten. Sie war weg, meine maman Sofie, aber sie hat nicht leiden müssen.
    Als ich vor jetzt so vielen Jahren vom Tod maman Sofies erfuhr, hatte mich nicht nur tiefe Trauer ergriffen, nein, da war auch die nicht greifbare Panik, das Grauen, wenn lodernde heiße Flammen den Körper erreichen und ein Mensch bei lebendigem Leibe verbrannte.
    Für einen Moment hatte ich Gavins Gegenwart vergessen; doch jetzt schaute ich ihn von tiefer Dankbarkeit erfüllt an. Gavin fühlte, dass ich wieder in die Gegenwart zurückgekehrt war und er sagte zu mir die Worte, die ich schon einmal vernommen hatte .
    „Ich bin Gavin, der Befreier der Höhle, in der wir uns das erste Mal begegnet sind.“
    „Was bedeutet das alles?“, fragte ich. „Wer oder was bist Du? Wer bist Du hier ?“
    „Hier bin ich einfach nur Gavin. Hier, auf der Île de Seine, erfüllte sich auch mein Schicksal vor unzähligen Monden.“
    Fragend schaute ich in seine Richtung. Ich verstand überhaupt nichts mehr.
    „Mein Leben verlief nicht wie Deines oder das derer, die auf den Menschenbildern zu sehen sind. Mein
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