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Daisy Goodwin

Daisy Goodwin

Titel: Daisy Goodwin
Autoren: Eine englische Liebe
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sie
tot?»
    Teddy sagte nichts, deutete aber auf
Mrs. Cashs rechtes Auge, das gute Auge. Es glänzte vor Feuchtigkeit, und sie sahen,
wie eine Träne ihre unversehrte Wange hinunterlief.
    Im Wintergarten nahm der Kolibri-Mann die Decke vom
Käfig. Er hatte den Gong gehört, sein Zeichen. Vorsichtig öffnete er die Tür
und trat dann beiseite, während seine Vögel sich wie Pailletten in der dunklen
Nachtluft verteilten.
    Eine Minute später sah Bertha ihn
neben dem leeren Käfig stehen.
    «Samuel, ich möchte, dass Sie meiner
Mutter etwas bringen. Das wird ihr helfen, während ich in Europa bin.» Sie
reichte ihm einen kleinen Geldbeutel mit den fünfundsiebzig Dollar. Sie hatte
beschlossen, den Findling zu behalten, da ihre Mutter ihn nicht so einfach
würde verkaufen können.
    Der Kolibri-Mann sagte: «Niemand hat
gesehen, wie sie ausgeflogen sind. Es sah so schön aus.»
    Bertha stand immer noch mit
ausgestreckter Hand vor ihm. Langsam wandte sich Samuel ihr zu, und ohne Eile nahm er den Geldbeutel entgegen. Er
sagte nichts, aber das brauchte er auch nicht. Bertha sagte in die Stille
hinein: «Wenn ich jetzt gehen könnte, würde ich es tun, aber wir schiffen uns
Ende der Woche ein. Dies ist eine gute Stellung. Mrs. Cash hat sich um mich
gekümmert.» Bertha hob bei ihren letzten Worten die Stimme, als stelle sie
eine Frage.
    Der Kolibri-Mann blickte sie
unverwandt an, ohne eine Regung zu zeigen. Schließlich sagte er: «Auf
Wiedersehen, Bertha. Ich werde wohl nicht wieder hierherkommen.» Er nahm seinen
Käfig und ging in die Dunkelheit.

KAPITEL 3

    Die Jagd
    Gib mit der Nadel acht, Bertha. Ich
möchte nicht voller Blut sein, ehe die Jagd überhaupt losgeht.»
    «Es tut mir leid, Miss Cora, aber
dies Waschleder ist nicht leicht zu nähen, und Sie bewegen sich die ganze Zeit.
Wenn Sie nicht gestochen werden wollen, müssen Sie wohl oder übel stillhalten.»
    Cora bemühte sich, bewegungslos vor
dem ovalen Standspiegel zu stehen, während ihr Mädchen das Mieder aus
Gämsleder zusammennähte, sodass es sich eng an ihren Körper schmiegte. Mrs.
Wyndham hatte darauf bestanden, dass die einzige Reitkleidung, die es wert
war, getragen zu werden, die von Busvine war. «Er schmeichelt jeder Figur,
meine Liebe, es ist beinahe unanständig. In dem, was er geschneidert hat,
fühlt man sich nahezu nackt. Bei einer Statur wie der Ihren wäre es ein
Verbrechen, woanders hinzugehen.» Cora erinnerte sich an den Glanz in Mrs.
Wyndhams Augen, als sie das gesagt hatte, und daran, wie die juwelenbesetzten
Hände der Witwe sich prüfend um ihre Taille gelegt hatten. «Neunzehn Zoll,
vermute ich. Wirklich, sehr hübsch. Wie gemacht für ein Kleid von Busvine.»
    Damit das
Reitkleid richtig saß, konnte Cora nicht ihr übliches Korsett tragen. Sie
musste in das eigens angefertigte Mieder aus Gämsleder eingenäht werden, damit
das Kleid keine Beulen schlug. Cora war ihrer Mutter fast dankbar für die
Stunden, die sie an dem Wirbelsäulenstraffer verbracht hatte, als sie sah, wie
schön und aufrecht sie in ihrer Montur wirkte. Ihr rotbraunes Haar war zu
einem hohen Chignon-Knoten gewunden, der ihren zarten Nacken freigab. Als sie
die Krempe ihres Hutes so richtete, dass sie genau im richtigen Winkel über
ihrem linken Auge saß, fühlte sie sich dem Tag, der vor ihr lag, gewachsen.
Erst als sie den Schleier über ihr Gesicht legte, um zu sehen, ob sie ein
bisschen Rot auf ihre Lippen auftragen sollte, wie ihr Mrs. Wyndham geraten
hatte – «Nur ein bisschen Farbe, meine Liebe, dann ist es vollkommen.» –,
dachte sie an ihre Mutter, die ihre linke Gesichtshälfte nun immer mit einem
hauchdünnen weißen Schleier verhüllte, um die Verheerungen darunter zu
verbergen. Cora wusste, ihre Mutter erwartete von ihr, dass sie zu ihr ging
und sich ihr Einverständnis holte, aber sie hasste es, das bloße, versehrte
Gesicht ihrer Mutter zu sehen, bevor sie ihren Schleier angelegt hatte. Natürlich
war der Unfall ihrer Mutter nicht ihre Schuld gewesen, aber Cora fühlte sich
trotzdem verantwortlich. Durch dieses Gefühl war sie den Forderungen ihrer Mutter
gegenüber hilflos.
    Cora griff nach der karmesinroten
Farbe und tupfte ein wenig davon auf ihre Lippen. Die Frau hatte wieder einmal
recht behalten, das bisschen Farbe veränderte den Eindruck, den sie machte,
zum Guten. Cora hatte es nicht gefallen, wie Mrs. Wyndham sie gemustert hatte,
als müsse sie den Preis für Pferdefleisch festlegen. Es hatte sie beschämt,
dass ihre Mutter die
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